Volltext: Bis Ende Juni 1915 ([1] ; 1915)

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Verschärfung der Rechtsfolgen 
der Nichterfüllung. 
zu erlassen oder Lieferungsverträge geradezu für aufgelöst zu erklären, und 
daß daher die Lieferungsverpflichtungen auf Grund von Verträgen, die vor 
dem 1. August 1914 abgeschlossen wurden, nach den allgemeinen Rechts¬ 
grundsätzen zu beurteilen sind. Es müsse ausschließlich der Rechtsprechung 
überlassen bleiben, in jedem einzelnen Falle zu prüfen, welchen Einfluß die 
kriegerischen Ereignisse auf eine bestehende Lieferungsverpflichtung gehabt 
haben, insbesondere, ob durch sie die vertragsmäßige Leistung tatsächlich 
unmöglich geworden ist. 
Der den Börseleitungen in Wien und Prag nahegelegte Versuch, die 
Vertragsteile auf gütlichem Wege zu bewegen, die schwebenden Verpflich¬ 
tungen unter Zugrundelegung eines von der Börseleitung vorgeschlagenen 
Liquidationspreises zu ordnen, war in vielen Fällen von einem günstigen 
Erfolge begleitet. 
Militärliefrrungsverkräge. 
Mit der 
Kaiserlichen Verordnung vom 12. Juni 1915, R. G. 
Bl. Nr. L58, 
wurden vom geltenden Privatrechte abweichende Bestimmungen über Militär- 
lieferungsverträge getroffen. 
Die genaue Erfüllung von Verträgen, die vom Ärar für Zwecke der 
bewaffneten Macht abgeschlossen wurden, gewinnt im Kriege außerordentliche 
Bedeutung. Eine unter anderen Umständen belanglose Verzögerung der 
Leistung, die Erfüllung am unrichtigen Ort, die Bereitstellung einer zu 
geringen Menge oder einer Ware von minderer Beschaffenheit - kann die 
Schlagfertigkeit der Armee empfindlich schädigen, die Vornahme wichtiger 
Unternehmungen schwer beeinträchtigen und dadurch auf den Fortgang des 
Krieges zurückwirken. 
Die überragende Wichtigkeit solcher Leistungen für die bewaffnete Macht 
machte es notwendig, zu prüfen, ob die Vorschriften des geltenden Zivil¬ 
und Handelsrechtes über die Rechtsfolgen der Nichterfüllung von Verträgen aus¬ 
reichen, wenn es sich nicht um die vermögensrechtlichen Interessen eines einzelnen, 
sondern um das Wohl des Staates und um das Leben der Verteidiger des 
Vaterlandes handelt. Diese Prüfung ergab die Notwendigkeit einer gesetzlichen 
Maßnahme. Die Vorschrift des 8 919 a. b. G. B., die dem verletzten Teile 
bei nicht gehöriger Erfüllung des Vertrages nur das Recht gibt, die genaue 
Erfüllung des Vertrages und Ersatz, nicht aber auch die Aufhebung des 
Vertrages zu fordern, ist schon seit langem selbst für die Bedürfnisse des 
gewöhnlichen Privatverkehrs als unzureichend erkannt. Deshalb wurde 
bereits in der Novelle zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche eine Bestim¬ 
mung ins Auge gefaßt, welche die Rechtsfolgen einer nicht gehörigen Er¬ 
füllung des Vertrages den im Handelsrechte geltenden Grundsätzen annähern 
wollte. Nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (Art. 355 ff.) hat der 
Käufer gegenüber dem säumigen Verkäufer die Wahl, ob er Erfüllung nebst 
Schadenersatz wegen verspäteter Erfüllung verlangen oder ob er statt der 
Erfüllung Schadenersatz wegen Nichterfüllung fordern oder von dem Vertrage 
zurücktreten will. In den beiden letztgenannten Fällen muß er aber, wenn
	        
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