Volltext: Feldmarschall Ernst Rüdiger Graf Starhemberg

110 
Zustände im türkischen Lager. 
von Statten gingen, erschien der Großvezier persönlich bei den Bauten 
und Gefechten. — Als aber der Sultan den Ali-Aga ins Lager 
gesendet hatte, um sich von den Ursachen der bisher erfolglosen An 
griffe durch eigenen Augenschein zu überzeugen und dem Großvezier 
einen rascheren Fortgang der Unternehmung dringend anzuempfehlen, 
beeiferte sich Kara Mustapha, sein Versäumniß nachzuholen und 
möglichst gut zu machen, lind überwachte nun selbst alle Arbeiten und 
Gefechte. — Bald bestieg er den Thurm von St. Ulrich, oder kam 
in die durch Erdaufwürfe geschützten Lagerstellen, bald ließ er sich in 
seiner ganz geschlossenen, mit eisernen Platten wohlverwahrten Sänfte 
im Lager herumtragen, belohnte und strafte alsogleich nach seiner 
Weise und tödtete eigenhändig die Feigen mit seinem Säbel. Endlich 
ließ er sich selbst im Laufgraben einen bombenfesten Platz ausgraben, 
worin er sich den Tag über aufhielt, um unausgesetzt den Arbeiten 
nachsehen zu können. 
Seit ihn der Tschau sch des Großherru, achselzuckend über 
die geringen Fortschritte der Belagerung, verlassen hatte, führte Kara 
Mustapha persönlich das Commando der ganzen Angrifssoperationen. 
Gegen den Rath seiner Unterbefehlshaber hatte der Großvezier als 
Angrisfsseite Wiens jenen Befestigungsabschnitt gewählt, der 
sich zwischen dem Burg- und Schottenthor befindet, statt die 
Seite gegen die Leopoldstadt, welche Wiens fortificatorisch schwächster 
Punkt war, und wo nur die Donau die Verstärkung der Stadt 
mauern bildete. — Die ersten Arbeiten der Türken bestanden in 
Laufgräben und in der Errichtung der diese Arbeit deckenden und 
gegen die Geschütze der Stadt zu wirken bestimmten Batterien. — 
Ihre Laufgräben führten sie weder nach den Regeln der Belngerungs- 
kunst, noch in den kürzesten Linien aus, und deckten deren Enden nicht 
durch Redouten und Flankenwerke. Meist bauten sie dieselben mit 
dem belagerten Orte parallel und in krummen Querlinien, die sie 
hinter einander vermehrten. Dieselben waren tief und weit angelegt, 
aber nicht gleichmäßig gebaut, gewöhnlich fünf bis sechs Fuß breit 
und nahezu sieben Fuß tief, so daß man bequem darin stehen konnte. 
Zum Bau wurden fast immer gefangene Christen verwendet, die man 
durch Hiebe auf die Fußsohlen dazu zwang und überhaupt schlecht und 
grausam behandelte.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.