die hier vor gelegten Urkunden geigen, zur Geschichte einer permanenten
Verletzung dieses Vertrages durch Polen und zur Geschichte einer
stillschweigenden Mittäterschaft des Völkerbundes und der Garantie-
mäcktegeworden. Schon am 20. November 1920 sah sich die Deutsche
Regierung genötigt, aus ihrer Zurückhaltung herauszutreten und der
Polnischen Regierung eine umfassende Beschwerde zu überreichen. Sie
mußte feststeileny daß „der Deutsche in Polen vogelfrei“ sei. Diese
Beschwerde hatte ebensowenig Erfolg wie die zahlreichen Beschwerden
und Vorstellungen der deutschen Volksgruppenvertreter in Polen
selbst.
Die polnische Regierung gab klar zu erkennen, daß sie sich durch
die feierlich eingegangenen Minderheitenschutzverpflichtungen in keiner
Weise gebunden fühle. Am 10. April 1923 z* B. kündigte der da¬
malige Ministerpräsident General Sikorski in öffentlicher Rede als
Regierungsprogramm „die Liquidation deutscher Güter und die Ent-
deutschung der westlichen Provinzen“ an und erging sich in scharfen
Äußerungen gegen Danzig- Mitte 1929 hatte die Austreibung der
Deutschen bereits einen außerordentlichen Umfang angenommen.
Polnische Maßnahmen gegen den deutschen Grundbesitz, wie sie z- B.
der Ständige Internationale Gerichtshof in seinem Gutachten vom
10. September 1929 als „nicht im Einklang mit den internationalen
Verpflichtungen der Polnischen Regierung stehend“ bezähmte, ver¬
stärkten den Zwang zur Abwanderung, Im September 1991 wurde von
polnischer Seite zugegeben, daß bereits rund eine Million Deutsche aus
Polen verdrängt waren. Weder die Garantiemächte noch der Völker¬
bund, der inzwischen nicht nur von der deutschen, sondern auch von der
ukrainischen Volksgruppe immer wieder um Schutz gegen die ständige
Verletzung der Minderheitenbestimmungen durch Polen angerufen
worden wary sind indessen ihrer Pflicht nachgekommen.
Die Polonisierungspolitik setzte sofort auch gegen die Freie Stadt
Danzig ein. Die Deutsche Friedensdelegation hatte unter Berufung auf
die Erklärungen des Präsidenten Wilson vergebens gegen die Ab¬
trennung Danzigs protestiert. Polen betrachtete den neuen Status in
Danzig von Anfang an nur als Ausgangsstellung für die endgültige
Po Ionisierung. Es zog mit 24 Behörden in Danzig ein und sah in jeder
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