Volltext: 100 Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges

ERSTES KAPITEL 
Die Entwicklung 
der deutsch-polnischen Beziehungen 
A) Die polnische Frage 
auf der Versailler Konferenz 
Die deutsch-polnischen Beziehungen standen seit dem Augenblick 
der Wiederaufrichtung eines selbständigen polnischen Staates in Ver¬ 
sailles unter einem mehrfachen Verhängnis. Erstens erklärte sich 
Polen unter Berufung auf eine angeblich tausendjährige Mission zum 
Erbfeind der Deutschen. Es begründete damit nicht nur seine An¬ 
sprüche auf deutsches Reichsgebiet, sondern geradezu seine Existenz¬ 
berechtigung und empfahl sich so den Siegermächten als zuverlässigen, 
jederzeit einsatzfähigen Alliierten zur Niederhaltung Deutschlands. 
Zweitens: Es wurde in dieser Funktion von den Westmächten be¬ 
stätigt und durch Einbeziehung zunächst in das französische Bündnis¬ 
system zum östlichen Glied im Ring um Deutschland gemacht; 
nach dem Ausfall Rußlands sollte es dessen Rolle in der Fortsetzung 
von Deutschlands Zweifrontenlage übernehmen. Das deutsch-polnische 
Verhältnis wurde drittens von Anfang an durch die Überlassung 
einer starken deutschen Volksgruppe an Polen vergiftet, die so fori 
dem schärfsten Polonisi erungsz^ang unterworfen war. Viertens stellten 
die Abtretungen deutschen Reichsgebietes im Osten die größten Un¬ 
gerechtigkeiten des Friedensdiktats dar. Sie wurden nicht nur vom 
deutschen Volk, sondern auch von maßgebenden alliierten Staats¬ 
männern als so unhaltbar empfunden, daß sich jedermann darüber 
einig war, daß an dieser Stelle die erste Wiedergutmachung ein setzen 
mußte, wenn nicht hier der nächste kriegerische Konflikt in Europa 
ausbrechen sollte. 
Lloyd George hat in einer Denkschrift für die Konferenz in 
Versailles am 2j. März 1919 auf diese künftige Kriegsursache 
ebenso aufmerksam gemacht wie die deutsche Friedensdelegation. 
15
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.