Volltext: 100 Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges

1. sähen daraus Polens Freunde, was sie selber angerichtet 
hätten, und 
2. befreie Polen seine Freunde damit von ihrer Unter¬ 
stützungspflicht, 
denn man könne sich ja nicht vorstellen, daß etwa Frankreich 
oder England zugunsten ihres wild gewordenen Freundes ihre 
Existenz aufs Spiel setzen wollten. Ich verstünde daher auch 
nicht, wieso Coulondre zu Beginn unserer Unterhaltung die 
französische Hilfe an Polen als eine selbstverständliche und 
automatische habe bezeichnen können. 
Coulondre sprach dann einen Augenblick davon, daß der 
französisch-polnische Bündnisvertrag durch die diesjährige 
Garantie noch verstärkt worden sei, die juristische Bindung 
an Polen sei aber nicht ausschlaggebend. Frankreich brauche 
zu seiner Sicherheit das Gleichgewicht Europas. Würde dies 
zugunsten Deutschlands gestört, d. h. würde Polen jetzt von 
uns überrannt* so käme in absehbarer Zeit Frankreich an die 
Reihe, oder aber es müsse herabsinken etwa auf das Niveau 
von Belgien oder Holland. Frankreich würde damit praktisch 
zum Vasallen Deutschlands und dieses wolle es eben nicht. 
Ich legte dem Botschafter dringend nahe, sich über das 
tatsächliche Verhalten Polens zu unterrichten und sich von 
seinem totalen Irrtum über das Benehmen seiner Freunde 
kurieren zu lassen, dann werde er auch zu den richtigen 
Schlußfolgerungen kommen. 
Als Coulondre mich nach diesen Schlußfolgerungen fragte, 
sagte ich ihm, Polen müsse den berechtigten Ansprüchen 
Deutschlands nachkommen und es müsse sein Gesamtverhalten 
gegenüber Deutschland total umstellen. 
Schließlich meinte der Botschafter, zu einem Druck auf 
Warschau wie im vorigen Jahr auf Prag werde seine Regierung 
sich nicht verstehen. Die Lage sei eine andere als damals. 
Ich erwiderte Coulondre trocken, ich hätte ihm bzw. seiner 
Regierung keine Ratschläge zu erteilen. Sie möge sich die Tat¬ 
sachen ansehen und diese sprechen lassen. 
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