Volltext: Das Verhalten der Tschechen im Weltkrieg

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ausführlich besprochene Zeichnungsergebnis bei den Sparkassen, da auf diesem Gebiete die 
Zeichnungsfähigkeit beider Volksstämme vollständig die gleiche ist und trotzdem ein so be¬ 
deutendes Zurückbleiben der tschechischen Zeichnungen hinter den deutschen festzustellen ist, das 
nur auf mangelnden Zeichnungswillen zurückzuführen ist. Die Tatsache, daß auch die Zahl 
der Zeichner aus Einlegerkreisen bei den Deutschen eine unverhältnismäßig höhere ist als 
bei den Tschechen und daß sich auch bei den Banken die gleiche Erscheinung zeigt, widerlegt 
auch vollständig den Einwand des Angeklagten Dr. Preiß, daß die rege Beteiligung des 
tschechischen Volkes an den Kriegsanleihen nicht in der Höhe der Gesamtzeichnung, sondern 
in der Vielheit der Zeichnungen zum Ausdruck gekommen sei. 
AIs weiteren Grund für den ungünstigen Ausfall der Kriegsanleihe auf tschechischer 
Seite wird ferner angeführt, daß infolge des früheren Beginnes der Mobilisierung in Böhmen 
die Bevölkerung namhafte Beträge aus den Geldinstituten abgehoben habe. 
Diese Behauptung erledigt sich schon deshalb von selbst, weil durch den angeführten Um¬ 
stand ja die deutschen Geldinstitute Böhmens in ganz gleichem Maße 
betroffen wurden wie die tschechischen, übrigens hat der Angeklagte RuLieka schon am 
29. Juli 1914 in der Exekutivkomiteesitzung der Avnostenska banka hervorgehoben, daß 
die Geldabhebungen bei der Zentrale in Prag und den Filialen in Böhmen und Mähren 
aufgehört hätten und daß sich die Bevölkerung bereits beruhigt habe. 
Der Angeklagte Dr. Preiß hat anläßlich seiner Zeugenvernehmung in der Haupt- 
verhandlung gegen Dr. Kramar auch die Behauptung aufgestellt, daß die Ernte noch 
nicht realisiert gewesen und hierdurch ein Mangel an verfügbaren Kapitalien hervor¬ 
gerufen worden sei. Unglücklicherweise hatte aber Dr. Preiß bei dieser 
seiner Vernehmung offenbar vergessen, daß er in der Verwaltung s- 
ratssitzung der Zivnostenska banka vom 27. Oktober 1914, also vor der 
ersten Kriegsanleihe, mit großer Befriedigung auf eine Erleichterung auf 
dem Geldmärkte hingewiesen und sie aufdas gute Ergebnis der Ernte 
und die verhältnismäßig rasche Möglichkeit, die Ernte zu reali¬ 
sieren, zurückgeführt hat! 
Endlich soll auch die schlechte Situation mehrerer tschechischer 
Geldinstitute, insbesondere der Königgrätzer Vorschußkasse und der 
Semiler Sparkasse zur Begründung der geringeren Ziffer der tschechischen Zeich¬ 
nung herhalten. Abgesehen davon, daß keinem der beiden Geldinstitute, deren 
Schwierigkeiten schon längere Zeit zurückreichen, eine größere Bedeutung für den 
tschechischen Kapitalsjmarkt zukommt, und daß sie gewiß , nicht 
die einzigen in Österreich waren, die sich in ungünstiger finanzieller Situation 
befanden, gingen hierdurch nach der im Kramar-Prozesse abgelegten Zeugen¬ 
aussage des gewiß unterrichteten Präsidenten der Prager Städtischen Sparkasse und 
der Zentralbank der tschechischen Sparkassen Dr. Ladislaus Pinkas nur etwa 15 Mil¬ 
lionen Kronen Einlagen für Zwecke der Kriegsanleihezeichnung 
verloren. Da das tschechische Beteiligungsprozent bei den Sparkassen 2*4% des 
Einlagenstandes für die erste und rund 4% für die zweite Kriegsanleihe beträgt, hätte 
sich also bestenfalls das Ergebnis auf tschechischer Seite um 360.000 K bei der ersten und 
600.000 K bei der zweiten Kriegsanleihe erhöht, also um Beträge, die bei der Gesamt¬ 
summe keine Rolle spielen. Muß also der Versuch, die geringere Beteiligung 
der tschechischen Bevölkerung an den Kriegsanleihe^ mit wirt¬ 
schaftlichen Gründen zu erklären, als vollständig fehlgeschlagen 
bezeichnet werden, so bleibt als Erklärung nur die absichtliche Zurückhaltung 
eines Teiles der tschechischen Bevölkerung aus politischen Gründen. 
Damit im Einklang stehen auch die bedauerlichen Erscheinungen, die nach Kriegsausbruch 
auf anderen Gebieten, insbesondere auf militärischem, zutage getreten sind und das offen 
hochverräterische Auftreten der tschechischen Organisation im Auslande. Von diesem Gesichts¬ 
punkt aus fällt die ablehnende Haltung gegenüber der Kriegsanleihe in den Rahmen
	        
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