Volltext: Lauriacum

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Schwierigkeit mehr. Die Vorbilder unserer Kir¬ 
chenformen liegen in Aquileia, wo schon zu 
Beginn des 4. Jahrhunderts die Parallelanlage 
zweier Kulthallen (Katechumeneum, bzw. 
Consignatorium und Gemeindekirche; 38:21; 
38 : 18 m) des Bischofs Theodorus (f ca. 319) 
den Typus des oblongen apsidenlosen Saales 
mit dem bekannten Presbyterium und den 
Schranken ausgebildet zeigt. Von dort her emp¬ 
fängt ihn zugleich mit hierarchischer Abhän¬ 
gigkeit das adriatische Küstengebiet (Parenzo, 
Nesactium, Pola; vgl. auch Salona) und mit 
der aller religiösen Tradition eigenen Beharrlich¬ 
keit im Wege langsam fortschreitender Missio¬ 
nierung auch Noricum und selbst das westliche 
Pannonien (Kirchen in Kekküt) 59); hier be¬ 
gegnet diese Plangestaltung mit unwesentlichen 
Variationen als der primitivste Vertreter früh¬ 
christlichen Kultbaus in den Kirchen von Teur- 
nia, Aguntum, am Gratzerkogel, in Lauriacum 
und Kekküt noch zu einer Zeit, da Frömmig¬ 
keit und Reichtum der Gemeinden im Süden 
an Stelle der alten Kirchen seit langem schon 
prächtige Neubauten aufgeführt hatten. An die¬ 
sen entwicklungsmäßig gegebenen Bedingthei¬ 
ten liegt es, daß die apsidenlose Saalkirche des 
5. und 6. Jahrhunderts unserer Provinz lediglich 
die Frühzeit des Christentums anzeigt, also nur 
auf die Anforderungen relativ kleiner Gemein¬ 
den zugeschnitten ist; und da mit dem Ende 
des 6. Jahrhunderts durch das gleichzeitige 
Vordringen der Awaren und Slawen einerseits 
und der Bajuwaren andererseits die letzten 
schon schwach gewordenen Zusammenhänge 
mit den kulturellen Kräften Italiens abreißen, 
und die erste Periode der Christianisierung 
Noricums und des westlichen Pannonien zu 
Ende geht, so verstehen wir auch, warum die 
dreischiffige Basilika bisher nur in einem Bei¬ 
spiel bekannt geworden (Kekküt), die aus¬ 
— Das Bildungsgesetz der Doppelanlagen möchte ich 
auch, trotz ihrer primitiven Form und des apsidalen 
Chorschlusses des einen Kultraumes, in den Bauten 
am Gratzerkogel und Hemmaberge erkennen; das¬ 
selbe Prinzip liegt zweifellos weiters dem Grundriß 
der Kirche von Suvodol (Südserbien) zugrunde (Fr. 
Mesesnel, Starokrscanska bazilika v Suvodolu pri 
Bitolju, Casopis za Zgodovino in Narodopisje, 1937, 
s. 33 ff. 
gebildete basilikale Form aber trotz aller Be¬ 
kenntnisse zu südlichen Vorbildern in unseren 
Gegenden überhaupt nicht nachweisbar ist. 
Eine vergleichende Betrachtung ergibt das 
durchaus einheitliche Bild eines lokalen Bau¬ 
stils und erweist, daß auch unsere Kirche alle 
in der frühchristlichen apsidenlosen Saalarchi¬ 
tektur wirksamen Ideen in sich vereinigt. 
Freilich, die folgerichtig fortschreitende Ent¬ 
wicklung in der architektonischen Ausgestal¬ 
tung, nämlich die apsidenlose Saalkirche mit 
Prothesis und Diakonikon beiderseits des 
Presbyteriums, die man auf norischem Boden 
so gerne erwarten würde, hat auch sie nicht 
gebracht. So fehlt bisher noch in unseren 
Gegenden der Anschluß an die älteste Anlage 
von Romain motier (S. Guyer, Die christ¬ 
lichen Denkmäler des 1. Jahrtausends in der 
Schweiz, 1907, S. 97 f.; hiezu Egger, S. 127) 
und damit das Zwischenglied zwischen dieser 
und der Lösung in Teurnia, wo die Pasto- 
phorien bereits zu selbständigen Kapellen aus¬ 
gebildet erscheinen. Die Bedeutung unserer 
Basilika liegt darin, daß sie die erste der vielen 
frühchristlichen Kirchen repräsentiert, die zur 
Zeit Severins am norischen Limes zwischen 
Castra regina und Asturis bestanden haben, 
daß sie die einheitliche Geschlossenheit und 
künstlerische Selbständigkeit der apsidenlosen 
Saalkirchen der Kirchenprovinz Aquileia60) 
an einem neuen Beispiel bekundet und die 
literarische Überlieferung, Eugipps v. Severini, 
in einem wesentlichen Punkte bestätigt. 
Es bleibt noch übrig, die Frage zu erörtern, 
wann unsere Kirche erbaut wurde; mangels 
jeder kennzeichnenden Funde werden wir hier¬ 
über wohl am ehesten durch eine kurze Be¬ 
trachtung des Werdegangs der neuen Lehre 
in Noricum ripense Klarheit erhalten. 
Bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts übten 
59) L. Nagy, Archaeologiai Ertesitö XLV 1931 
S. 28 ff. 229 ff. Einflüsse Aquileias auf den frühen 
Kirchenbau des raetischen Tirol erörtert H. Hammer, 
Die ältesten Kirchenbauten Tirols, Ztschr. d. Deut¬ 
schen u. Österr. Alpen-Vereins, 1935 222 ff. 
60) Wenn Liesenberg, Einfluß der Liturgie, 
S. 26. 190 ff. in der Grundrißgestaltung der Basiliken 
des Kreises Aquileia syrische Impulse erkennen will, 
so ist das zweifellos irrig.
	        
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