Volltext: Die Urbare des Hochstifts im 13. und 14. Jahrhundert [1 bzw. 12] (I. Band / 1933)

LXXVIII 
Einleitung 
Besitz in der späteren bischöflich-passauischen Stadt St. Pölten 
schon für das Ende des 8. Jh. wahrscheinlich. 
Damit haben wir in Verbindung mit der Kolonisation und 
Missionierung des deutschen Südostens, an der ja die bairischen 
Hochstifte und Klöster so hervorragenden Anteil nahmen, die 
gewonnenen reichen Besitzungen Passaus im Lande unter der 
Enns, d. h. in dem heutigen Niederösterreich, berührt. Es stehen 
hier hinsichtlich des Umfanges an erster Stelle die Schenkungen 
seitens der Könige. Diese konnten damals östlich der Enns ja 
noch aus dem Vollen schöpfen, da dort weite Gegenden bis dahin 
unaufgeteilt waren, zumal ihnen alles unbebaute Land nach Königs- 
recht zur freien Verfügung stand. Entsprechend dem christlichen 
Geist des Mittelalters, beeinflußt von der Überzeugung, durch 
Schenkungen an die Kirchen ein besonders gutes Werk zu voll 
bringen und hiedurch dem eigenen wie der Vorfahren Seelenheil 
zu dienen, und beherrscht von dem Staatsgedanken, der dann im 
ottonischen Staatssystem seine charakteristische Ausprägung er 
hielt, durch die politische und wirtschaftliche Stärkung der geist 
lichen Fürsten der eigenen königlichen Macht gegenüber den 
selbstsüchtigen Laienfürsten, vor allem den Herzogen und Grafen, 
festen Halt zu verleihen, kamen die Könige seit Karl dem Großen 
den Bestrebungen der geistlichen Fürsten nach Stärkung ihrer 
weltlichen Macht und Ausbau und Erweiterung ihres Grund 
besitzes weitgehend entgegen. Das gilt in Niederösterreich be 
sonders für Passau, dessen Bischöfen als den geistlichen Ober 
hirten außer den Aufgaben der Kolonisation und Missionierung 
auch die kirchliche Betreuung jenes Landes oblag und die schon 
deshalb darauf bedacht waren, sich daselbst eine starke wirtschaft 
liche Position zu erringen. Am Anfänge der erhaltenen Zeugnisse 
über Schenkungen karolingischer Könige steht die vielumstrittene, 
in dreifacher Gestalt erhaltene Urkunde Ludwigs des Frommen 
vom 28. 6. 823, deren kürzere in P 8 f 65 als Kopie vorliegende 
Fassung, die offenbar als Grundlage für die beiden längeren, ge 
fälschten diente 179 180 ), wohl mit Recht von den meisten jüngeren For 
schern als formell wie im wesentlichen auch inhaltlich echt erklärt 
wird 18 °). Nach ihr schenkte bereits dessen Vater Karl der Große dem 
179. Abgedruckt in OÖUB. 2, 9f„ im Auszug bei Mühlbacher, Reg. nr. 778. 
180. So besonders von Uhlirz, MIÖG. 3. Ergbd. (1882) S. 211 ff.; Mühl 
bacher a. a. 0.; W. Erben in HV. IV (1901) 529; K. Lechner, Bl f. 
Lk. 19 (1924) 34, Anm. 2.
	        
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