Volltext: Józef Piłsudski Militärische Vorlesungen (Band III / 1936)

AUS DEM BALKANKRIEG 
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vorangegangenen Angriffen erlitten hatten. Hunderte von 
toten Feinden bedeckten das Schlachtfeld, und ein Vorge¬ 
hen der ganzen türkischen Armee war zweifellos festzustel¬ 
len. Also ein Sieg, gleich bei der ersten Begegnung mit dem 
Feind! Also Selbstvertrauen bei dem Soldaten, der besser 
und schlagfertiger als der Feind ist? Nein, nichts davon! 
Die „heimlichen Wunden66 tun das Ihre . . . 
In der gleichen Nacht, nach dem am Abend erfochtenen 
Siege flüchtet die Division Ismid in wilder Verwirrung und 
Panik, ohne von irgend jemand angegriffen zu sein. Die 
Soldaten beschießen einander in der Dunkelheit. Nun wer¬ 
den mir die „Techniker66 sagen: Ja, das ist eine Reserve- 
Division! Aber nein, die benachbarte 2. aktive Division 
handelt genau so. Nach einer schneidigen Zurückweisung 
des Feindes bei dem Zusammenstoß von Süliolu zieht sie 
sich zurück, oder besser gesagt: nimmt sie mit derselben 
Kopflosigkeit Reißaus wie die Kameraden von der Reserve. 
Diesem schönen Beispiel folgend, führt die ganze Armee 
eine „deroute en arriere66 aus und verwandelt die glänzen¬ 
den „Armeekorps66 und „Divisionen66 in Perakende-Banden, 
die in der Nacht umherirren, ihre Generäle, Geschütze und 
Fahnen verlassen und ihre Gewehre dazu benutzen, die 
eigenen Kameraden zu beschießen; denn der Feind, der 
am Abend schwere Verluste erlitten hatte, zog sich einige 
Kilometer weit zurück und fing inzwischen an, sich aus 
großer Vorsicht einzugraben, da er — einen türkischen 
Angriff erwartete! 
Kann man ein krasseres Beispiel für eine Niederlage in¬ 
folge des Tiefstandes der militärischen Moral bei einer 
Truppe finden? Kampf, Sieg und Niederlage geschehen 
nicht im materiellen Gelände, nicht mit Hilfe der wirk¬ 
lichen Kugeln und Seitengewehre oder der neuesten tech¬
	        
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