Volltext: Józef Piłsudski Militärische Vorlesungen (Band III / 1936)

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MILITÄRISCHE VORLESUNGEN 
Lande geben, das ein Ideal der Demokratie ist, und zwar 
aus der kleinen Schweiz. 
Ein Vorbild, unerreichbar, eine kleine Perle, durch Gott 
für ein demokratisches Experiment geweiht, ein Vorbild, wo 
die Volksherrschaft zur Wirklichkeit geworden ist, wo selbst 
ein Erlaß zum Bau einer Brücke durch Abstimmung erfol¬ 
gen muß, wo die Menschen zwei Drittel ihres Lebens ab¬ 
stimmen und wählen und wo niemand ein individuelles 
Gebot und ein Muß ertragen würde. 
Was geschieht denn dort mit dem Militär? Die Schweiz 
besitzt Militär. Sie hat es undemokratisch angekleidet. Ich 
werde niemals den Eindruck vergessen, den ich in Genf er¬ 
lebte. Als ich mich mit einem meiner Bekannten auf dem 
dortigen Bahnhof befand, kam mir ein preußisch gekleide¬ 
ter Herr in des „Königs Rock“ zu Gesicht, er trug eine, fast 
möchte man sagen, Galauniform mit eingeschnittener Taille 
und kam mit elastischem Soldatenschritt daher. — „Wer 
ist das?“ fragte ich. — „Das ist ein Universitätsprofessor 
und Oberst der Schweizer Armee, der sich zu seinen Übun¬ 
gen begibt. Der Oberstrang ist in der Schweiz die höchste 
militärische Würde.“ Ich war erstaunt. Später, als ich 
Staatschef wurde, sandte die Schweiz ihren Gesandten nach 
Polen. Ich sehe noch in Gedanken den Augenblick seines 
Empfanges; es tritt ein Oberst in Uniform ein und pflanzt 
sich vor mir stramm auf! Da gedachte ich jenes Eindrucks 
aus Genf und meines damaligen Staunens. 
Hat man also jenes Problem dort in der kleinen Schweiz 
gelöst? Sollte sich da der Bürger und Soldat dermaßen im 
demokratischen Leben verschmolzen haben, daß keine Ge¬ 
gensätze mehr bestanden? Ist es nicht einfach eine Folge 
davon, daß die Schweiz keine Kriege führt, daß ein Befehl 
dort nur für einen halben Tag gilt und der Soldat für die
	        
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