130
MILITÄRISCHE VORLESUNGEN
stärker herrschen mußte. Und gerade eine solche Verfas¬
sung machte die Aufnahme von irgendwelchen Angriffs¬
handlungen unmöglich.
In Warschau selbst gingen die militärischen Anordnun¬
gen dahin, daß sich ein Teil der Garnison ständig in Bereit¬
schaft halten mußte. Es gab besondere Alarmbefehle, welche
die Truppen instand setzten, einen plötzlichen Überfall ab¬
zuschlagen.
Bei dem nervösen Zustand der Truppen hätte damals
ein falscher Alarm dieselben Ergebnisse zeitigen müssen
wie tatsächliche Überfälle. Auch sie hätten den Augenblick
der Initiative seitens der Russen hinausgezögert.
Von den ersten Aufstandshandlungen bleibt nur das
Bild von Kielce im Bewußtsein, wo es Czengiery ebenfalls
so schien, als hätte man die Absicht, ihn anzugreifen. Und
nun müssen die Truppen in voller Kriegsbereitschaft einen
ganzen Tag und eine Nacht den Überfall erwarten. Am
Tage nach einer solchen Nacht sind die übermüdeten Sol¬
daten nicht mehr imstande, irgendwelche Angriffshand¬
lungen durchzuführen.
Ich habe mich etwas eingehender mit diesen Dingen be¬
faßt, die meiner Meinung nach, falls sie rechtzeitig in einen
Angriffsplan aufgenommen worden wären, den Augenblick
des Übergangs der Russen zu Offensivhandlungen sehr ver¬
zögert und, indem sie den Aufständischen Zeitgewinn
brachten, die russischen Truppen ermüdet hätten.
Freilich kommt mir unwillkürlich auch die schlechte
Seite eines solchen Verhaltens zum Bewußtsein, besonders
für die Städte. Es beschwört nämlich die reißenden Wölfe
aus dem Wald, d. h. es provoziert die Stadtbesatzungen, die
bei ihrer Nervosität leicht zu Straßenmetzeleien übergehen
könnten. Später, zur Zeit der planmäßigen Kämpfe, war es