Volltext: Sammlung von Nachweisen für die Verletzungen des Völkerrechtes durch die mit Österreich-Ungarn Krieg führenden Staaten [Hauptbd.] ; ([Hauptbd.] ; 1915)

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auf der amerikanischen Botschaft und die Nachmittagsstunden zur Verteilung 
von Unterstützungen auf dem amerikanischen Konsulat. Der Umfang dieser 
beiden Agenden wuchs in den wenigen Tagen, die ich noch in der Stadt ver 
brachte, ins Riesenhafte an, da der Zustrom unserer Staatsangehörigen oft 
geradezu den Charakter von Volksaufläufen annahm. Im Hinblick auf die da- 
mals noch immer ventilierte Möglichkeit einer Abreise der Kolonie versuchte 
ich, Listen derselben anzulegen, und als die Verhaftungen begannen, wurden 
gleichfalls alle diesbezüglichen Meldungen notiert, bis es sich herausstellte, daß 
von einer Abreise keine Rede sei und die Zahl der Verhaftungen ins Unge 
messene wuchs und alle im wehrpflichtigen Alter stehenden Österreicher und 
Ungarn umfaßte. 
Am Morgen des 18. August um 6 Uhr erschien ein Polizeioffizier in 
meiner Privatwohnung, nahm eine Hausdurchsuchung, bei welcher er nichts 
Interesse erregendes fand, vor und verhaftete mich. Mein Protest und die 
Vorweisung des mir von der amerikanischen Botschaft ausgestellten Zertifikates 
hatten, trotz telephonischer Anfrage bei seiner Vorgesetzten Behörde, keinen 
Effekt. Ich wurde nun zur Polizeiwachstube in der Furschtadskaja geführt, wo 
mir eröffnet wurde, daß ich binnen 24 Stunden eines der Verbannungsgouver- 
nements Wologda, Wjatka oder Orenburg zu wählen und binnen weiterer 
24 Stunden dorthin abzureisen habe. Dann wurde ich, nach Abnahme meines 
Passes, provisorisch freigelassen. Die sofortige und im Laufe des Tages mehr 
mals wiederholte Intervention Herrn Wilsons im Ministerium des Auswärtigen 
wurde mit dem Hinweis darauf beantwortet, eine ausdrückliche Zusicherung- 
betreffend meines Bleibens in Petersburg sei nicht gegeben worden und der 
Generalstab verlange kategorisch meine Verschickung. Im Hinblick auf die 
„unmenschliche Behandlung der russischen Funktionäre in Österreich-Ungarn 
und Deutschland“ sei das Auswärtige Amt außerstande, sich für mich zu ver 
wenden. Das gleiche Resultat hatte am nächsten Tage meine Rücksprache mit 
Baron Schilling, dem kompetenten Referenten im Ministerium des Äußern, dem 
ich vorhielt, daß ich im Vertrauen auf seine „parole de gentilhorame“ meine 
Betrauung als gardien des archives angenommen hatte. Nur eine dreitägige Frist 
wurde mir für die Abreise eingeräumt. 
Ich wählte das Gouvernement Wologda und reiste am Abend des 16. auf 
eigene Kosten dorthin ab. Seither hat sich das Verhalten der russischen Be 
hörden wesentlich verschlechtert und der Transport erfolgt jetzt fast ausnahms 
los per Etappe in Arrestanten- oder Viehwagen. In Wologda angelangt, hatte ich 
mich mit meinen Begleitern auf der Polizei zu melden, wir mußten unsere 
Zwangspässe abgeben und durften uns nun in der Stadt Quartier suchen. Doch 
waren uns die Hotels verboten, nach einigen Tagen wurden auch die Restaurants 
für uns gesperrt. Fortwährend wurden Partien von Gefangenen in andere Orte des 
Gouvernements Wologda weitergeschoben, großenteils per Etappe und in Fuß
	        
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