Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Bei alldem muß noch mit folgendem gerechnet werden: 
Die Sympathien der italienischen Dynastie sind der Monarchie nicht 
zugeneigt, die leitenden Staatsmänner können bald wechseln, das chauvi¬ 
nistisch veranlagte, leicht- inflammable, überdies schon aufgehetzte Volk 
kann, geschickten Agitatoren folgend, unschwer zur Aktion getrieben 
werden, oder selbst die maßgebenden Faktoren hiezu drängen; endlich 
ist es bei dem selbst schon in die Armee, angeblich sogar in das Offiziers¬ 
korps gedrungenen republikanischen Geist nicht ausgeschlossen, daß in 
Italien Umwälzungen stattfinden, welche zu einer Aktion nach außen 
drängen, und es wäre gewiß keine so populär, wie der Krieg gegen 
Österreich-Ungarn. 
Wenn ich nun zu den unverkennbaren Erscheinungen einer im 
Grunde feindseligen Gesinnung Italiens nach den Interessen frage, welche 
deren Basis bilden und welche mir als die ausschlaggebenden Momente 
für die Haltung Italiens gelten, so liegen diese auf der Hand, und zwar 
die Erwerbung der italienischen Gebiete der Monarchie, vor allem Süd¬ 
tirols, Triests, Istriens; die Vorherrschaft in der Adria, vielmehr die 
Verhinderung der Entwicklung der ö.-u. Seemacht als Rivalin im Mittel¬ 
meer, am Balkan und im Orient; die Bekämpfung jedweder Macht¬ 
erweiterung der Monarchie auf der Balkanhalbinsel, woselbst Italien 
seine kommerziellen und sonstigen Interessen ungestört verfolgen will; 
endlich Verhinderung jedweder Machtzunahme der Monarchie überhaupt, 
als natürliche Gegnerin in den obenangeführten Aspirationen. 
Ich resümiere daher hinsichtlich Italiens: Die Monarchie hat 
allen Grund, in Italien eine feindliche Macht zu 
sehen und sich mit aller Energie zum Krieg gegen 
diesen Staat vorzubereiten. 
Serbien und Montenegro. Ich habe in mehreren Memoires 
der Vorjahre meine leitende Ansicht dahin präzisiert, daß ich die 
Zukunft einer aktiven Politik der Monarchie auf dem Balkan gelegen 
glaube und daß die Monarchie daher für geraume Zeit mit jenen Staaten 
wird als Gegner rechnen müssen, welche sich durch eine solche Politik 
der Monarchie in ihren Aspirationen betroffen sehen. 
Dies weist direkt auf Serbien und Montenegro, im weiteren Zusam¬ 
menhänge auf Italien und Rußland hin. 
Wenn ich mir die nächsten Ziele der ö.-u. Balkanpolitik konkret 
klarlege, so sind sie durch folgende Ideen gekennzeichnet: 
Der südslawische Komplex der Monarchie repräsentiert ein so 
großes Gebiet, daß mit dem Verlust desselben die Machtstellung der 
Monarchie gebrochen wäre, dies umsomehr, als damit auch das ganze 
Küstengebiet, somit die Seemachtstellung verloren ginge. 
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