Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Divisionen und 4 bis 6 Kavallerie-Divisionen, letztere 13 Infanterie- 
Divisionen und 2 Kavallerie-Divisionen ins Feld stellen. In Anbetracht 
der durch die bevorstehende Umdislozierung der russischen Armee not¬ 
wendig entstehenden Schwierigkeiten für eine Mobilmachung, der wahr¬ 
scheinlichen Zurückverlegung des Aufmarsches und der daraus folgenden 
Preisgabe Polens halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß, wenn die 
russische Kriegsbereitschaft, wie erwartet werden kann, lange Zeit 
beansprucht, selbst mit diesen verhältnismäßig schwachen Kräften eine 
Offensive unternommen werden kann, die nicht aussichtslos sein dürfte, 
wenn ihr Gemeinsamkeit des Handelns zugrunde liegt. 
Die Lage wird dagegen verwickelt und schwierig für die Verbündeten, 
wenn Italien und Frankreich sich zunächst abwartend verhalten. 
Da Österreich-Ungarn in Italien denjenigen Gegner sieht, mit dem 
zunächst abgerechnet werden muß, so darf ich wohl annehmen, daß seine 
Kriegsvorbereitungen in erster Linie diesen möglichen Feind berück¬ 
sichtigen Nun wäre der Fall denkbar, daß beide Verbündete ihre Vor¬ 
bereitungen gegen den für sie wichtigsten Gegner treffen, also Österreich- 
Ungarn gegen Italien, Deutschland gegen Frankreich, daß aber diese 
beiden Staaten zunächst neutral bleiben, ohne daß die Verbündeten die 
Sicherheit hätten, daß die Neutralität dauernd aufrechterhalten bleibt. Es 
wäre somit nicht ausgeschlossen, daß beide ihre Hauptkräfte in einer Rich¬ 
tung zum Aufmarsch bringen, in der sie nicht in Tätigkeit treten können, 
während Rußland mit seinem slawischen Gefolge inzwischen die Grenzen 
bedroht. 
Das einzige Radikalmittel zur Entwirrung dieser kritischen Lage 
würde die sofortige Kriegserklärung an die unsicheren Neutralen sein. Ein 
solches Mittel ist aber aus rechtlichen, politischen und allgemein mensch¬ 
lichen Gründen nicht anwendbar. 
Ich habe daher vorgeschlagen, daß, wenn der Krieg zwischen den 
Verbündeten und Rußland als unvermeidlich und unmittelbar bevor¬ 
stehend angesehen werden muß, seitens der deutschen Regierung eine 
umgehende und völlig klare Erklärung von der französischen Regierung 
darüber gefordert wird, wie dieselbe sich bei ausbrechendem Kriege zu 
verhalten gedenkt. Diese Erklärung muß sofort erfolgen, denn die Ent¬ 
scheidung, ob die deutschen Hauptkräfte gegen Westen oder gegen Osten 
aufmarschieren sollen, duldet keine Verzögerung. Eine ausweichende 
oder zweideutige Antwort würde als gleichbedeutend mit der Kriegs¬ 
erklärung angesehen werden müssen. 
Erklärt Frankreich strenge Neutralität wahren zu wollen, so ver¬ 
pflichtet sich auch Deutschland, keine Feindseligkeiten gegen dasselbe zu 
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