Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Hoffnungen sein Ausgleichsprogramm entwickelt hatte, war damit nicht 
durchgedrungen. „Deutscher Nationalverband“ und „Slawische Ver¬ 
einigung“ blieben sich schroff gegenüber. 
In Ungarn standen nach wie vor die auf das selbständige ungarische 
Heer abzielenden Konzessionen, das Verlangen nach Banktrennung, dann 
die Wahlreform im Vordergrund. 
Nach resultatlosen Verhandlungen in allen diesen Belangen war im 
Jänner 1910 die Ernennung Graf Khuen-Hedervärys zum ungarischen 
Ministerpräsidenten erfolgt, der, gestützt auf die von ihm ins Leben 
gerufene „Arbeitspartei“, vor allem die Wehrvorlage durchbringen sollte. 
Aber dem demokratischen Wahlrecht, bei dessen Annahme man eine 
kulantere Behandlung der Heeresfrage erwartete, widerstrebte die Mehr¬ 
heit der führenden Parteien. Auf anderem Wege kam man gleichfalls 
nicht zum Ziele. Dagegen gelang es der ungarischen Regierung, sich 
eine Anleihe von 560 Millionen Kronen zu verschaffen, die nach Frank¬ 
reichs abschlägigem Bescheid von Deutschland gegeben wurde. Auch 
ein Symptom für Frankreichs Stimmung gegenüber Österreich-Ungarn. 
Ganz besonders scharf spitzten sich die Dinge in Kroatien zu, wo 
auch noch die Fiumaner-Frage mitsprach, dann jene in Bosnien- 
Herzegowina. 
Ich verfolgte alle diese Vorgänge, kümmerte mich aber nur insoweit 
darum, als sie militärische Verhältnisse berührten. 
Am 10. Juni 1910 besuchte mich Graf Stürgkh im Aufträge des 
Ministerpräsidenten, um meine Anschauungen hinsichtlich Gewährung 
einer italienischen Universität, als deren Sitz die Italiener Triest ver¬ 
langten, einzuholen. Ich präzisierte meine Ansicht dahin, daß insolange 
die irredentistischen italienischen Machinationen andauern, alles vermie¬ 
den werden müsse, was sie fördert. Eine italienische Universität oder 
Fakultät in einem italienischen Sprachgebiet wäre eine solche Förderung. 
Es sei ein Kinderglaube, zu meinen, daß die Italiener durch ein solches 
Zugeständnis von ihren großen politischen Aspirationen abgehalten 
würden. Wenn überhaupt, sei eine italienische Universität nur in einer 
politisch indifferenten Stadt, etwa Wien oder Graz, zulässig. Ich fügte 
bei, daß die Regierung endlich auch im Parlament die Dinge beim wahren 
Namen nennen und erklären solle, daß, insolange die irredentistische 
Agitation besteht, an die Errichtung einer italienischen Universität, die 
nur eine Pflegestätte dieser Agitation wäre, nicht zu denken sei. Endlich 
äußerte ich Graf Stürgkh gegenüber, daß an Italiens Bundestreue nicht 
zu glauben sei, daß es sich zum Krieg gegen uns vorbereitet und erst 
nach dessen Austrag die Universitätsfrage diskutabel wäre. 
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