Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Kaiserliche Hoheit die nachfolgenden kurzen, meine Anschauungen 
präzisierenden Darlegungen gnädigst entgegenzunehmen und dieselben 
auch zur Allerhöchsten Kenntnis Seiner Majestät zu bringen. 
Ich bin der Ansicht, daß sich die Monarchie in einer Krise befindet, 
die zu einer entscheidenden Tat drängt. 
Die Basis für alle militärischen Vorsorgen, sei es hinsichtlich Organi¬ 
sation und Ausgestaltung der bewaffneten Macht, sei es hinsichtlich der 
konkreten, auf die einzelnen Kriegsfälle abzielenden Maßnahmen und 
Vorbereitungen, bildet die politische Lage. 
Es ist ganz unmöglich, über diese militärischen Fragen zu einem 
abschließenden Urteil zu gelangen, wenn man sich über die politische 
Situation nicht klar ist; diese Klarlegung muß daher allem vorangehen. 
Die politische Lage kann dermalen sehr kurz dahin zusammengefaßt 
werden, daß die Monarchie durch die überraschende und erfolgreiche 
Initiative der Balkanstaaten, insbesondere Serbiens, momentan an die 
Wand gedrückt ist, und zwar aus folgenden Gründen: 
Das Emporschnellen der großserbischen Aspirationen hat im Gefolge: 
die Entstehung eines weit vergrößerten, beinahe verdoppelten 
Serbiens mit einer fast verdoppelten Armee, die nunmehr als sehr 
gewichtiger und stets mit den Feinden der Monarchie verbündeter Gegner 
in Betracht kommt; 
die Entflammung der panslawistischen Sonderbestrebungen bei den 
Slawen der Monarchie und deren Rückwirkung auf Geist und Verläßlich¬ 
keit der slawischen Truppen, die gut ein Viertel der Wehrmacht betragen; 
die Gefahr, den Besitz B. H. Ds., vielleicht auch Kroatiens und Süd¬ 
ungams allmählich untergraben zu sehen und diese Gebiete zu verlieren; 
damit verbunden den Verlust des Küstengebietes und somit der mari¬ 
timen Machtstellung der Monarchie, endlich mit alldem 
den Verlust der politischen Geltung und der wirtschaftlichen 
Prosperität Österreich-Ungarns. 
Sollen diese Konsequenzen vermieden werden, so erübrigt nur, das 
Übel an der Wurzel zu fassen. 
Die Ursache des Übels ist — wie oben dargelegt — die plötzlich 
hinaufgeschnellte Macht Serbiens; diese also muß gebrochen werden, 
dann entfallen alle obigen Besorgnisse von selbst. 
Die Situation ist zu einer Kraftprobe zwischen der Monarchie und 
Serbien geworden. Die Kraftprobe muß ausgetragen werden. Alles 
andere, wie Albanien, Hafenfrage, Konsulfrage, Handelsverträge etc. sind 
Nebensachen. 
Fällt diese Kraftprobe zu Gunsten der Monarchie aus, dann werden 
sich die Slawen der letzteren sofort dem Stärkeren fügen und anschließen,
	        
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