Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

der oppositionellen Partei geschürt, schon so tief in die Bevölkerung 
eingedrungen ist, daß von einem Gegensatz der öffentlichen Meinung zur 
Regierung und zum König gesprochen werden kann. Seine Majestät legt 
der Bewegung allem Anscheine nach keine große Bedeutung bei, doch 
ist sie meinen Eindrücken zufolge ernster, als man an den leitenden Stellen 
glaubt. Man hat sich im Volke in den Gedanken hineingelebt, Rumänien 
müsse bei der Teilung der Türkei einen Gebietszuwachs erfahren, wurde 
durch Äußerungen von höchster Stelle in diesem Gedankengang lange 
bestärkt und verlangt nun, da der Zeitpunkt gekommen ist, die 
Realisierung. Schlagen die Bemühungen Herrn Misus in London fehl, 
dann ist es leicht möglich, daß die Agitation antidynastische Formen 
annimmt und ein bewaffnetes Einschreiten zur Gewinnung eines Gebiets¬ 
streifens erzwingt. In diesem Falle wäre naturgemäß eine freundschaft¬ 
liche Politik Rumäniens zu Bulgarien für viele Jahre hinaus unmöglich, 
weshalb wir auch alles Interesse haben, es vermeiden zu helfen. 
Schließlich melde ich, daß ich mit General Averescu über den rumäni¬ 
schen Aufmarsch jenseits des Pruth im Sinne der von E. E. gemachten 
Bemerkungen gesprochen habe und bei ihm eine volle Übereinstimmung 
der Auffassung mit derjenigen E. E. fand. 
Genehmigen E. E. den Ausdruck meiner tiefsten Ehrfurcht. 
Hranilovic, Oberstl.“ 
Auch dieses Schreiben enthält Fingerzeige dafür, daß damals durch¬ 
aus nicht alle russischen Kreise für den Eintritt Rußlands in einen Krieg 
zu Gunsten Serbiens waren. Sei es aus Abneigung gegen kriegerische 
Verwicklungen überhaupt, sei es, daß sie Rußland noch nicht genügend 
vorbereitet hiefür erachteten. 
Jedenfalls war dies damals weit wenigerer Fall als in der Folge¬ 
zeit. Auch war kaum anzunehmen, daß in der Folge die übrige Gestaltung 
der Lage günstiger für einen Austrag mit Serbien werden würde, als 
1912 und 1913. 
Von diesen Erwägungen ausgehend, richtete ich folgenden a. u. Vor¬ 
trag an Seine Kaiserliche Hoheit Erzherzog Franz Ferdinand: 
„Wien, 30. Dezember 1912. 
Euer K. u. K. Hoheit! 
Als ich seinerzeit den jetzt wieder innehabenden Dienstesposten 
bekleidete, habe ich mit Jahresschluß Seiner Majestät a. u. eine Denk¬ 
schrift über die militärpolitische und militärische Lage unterbreitet. 
Die jetzigen, noch ganz ungeklärten politischen Verhältnisse schließen 
es aus, ein erschöpfendes Programm festzustellen, doch bitte ich Euer 
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