Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

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Was die Frage der Neutralisierung Albaniens anbelangt, halte ich 
dies für die einzige Art, dieses von allen Seiten von feindseligen Gewalten 
bedrohte Gebilde lebensfähig zu gestalten und dauernd zu erhalten. Ru߬ 
lands Vertreter auf der Konferenz weigerte sich bisher, darauf einzugehen, 
wohl vom unlauteren Gedanken ausgehend, dadurch den russischen 
Schutzbefohlenen am Balkan Hoffnung auf Gebietserweiterung auf Kosten 
Albaniens für die Zukunft in Aussicht zu stellen. Die russische Presse 
scheint aber neuestens auf einen Rückzug in dieser Frage vorzubereiten. 
In dem von uns intendierten Umfange würde die Neutralisierung eine 
Sicherstellung für die Integrität des Landes bilden, ohne die Bewaffnung 
der Bevölkerung bis aufs äußerste auszuschließen. Für den Moment würde 
es uns eine Gewähr bilden gegen fremde Intervention während des müh¬ 
seligen Bildungsprozesses dieses schwächlichen Organismus. In der 
Zukunft — bei etwaiger kriegerischer Verwicklung am Balkan — könnte 
es trotz Neutralisierung sub titulo Selbstschutz ein wertvolles Atout in 
unserem Spiele bilden. 
Hoffentlich wird es mir bald wieder gegönnt sein, mit Ihnen über 
verschiedene aktuelle Fragen zu konferieren. Sollten Sie einen Moment 
freie Zeit zur Verfügung haben, bitte um telephonische Verständigung. 
Mit bester Empfehlung 
Euer Exzellenz stets ergebener „ , , , , « 
° Berchtol d.“ 
Für dieses Schreiben dankte ich mit folgendem Brief: 
„Wien, am 28. Dezember 1912. 
Euer Exzellenz! 
beehre ich mich vor allem meinen ergebensten Dank für das hoch- 
geschätzte Schreiben vom 26. d. M. zu übermitteln. 
Dem Urteil E. E. über den »König der Schwarzen Berge« stimme 
ich vollkommen bei und denke, daß tatsächlich nur dann aus ihm etwas 
herauszuschlagen ist, wenn er gänzlich in die Enge getrieben wird; dann 
dürfte man ihn allerdings nicht zu leicht aus der Schlinge lassen; er müßte 
durch Taten Farbe bekennen. 
Daß Skutari den Albanesen bleiben muß, erachte auch ich für 
unerläßlich, schon deshalb, damit ein steter Zankapfel zwischen Monte¬ 
negro und Albanien vorhanden sei, aber dieses Albanien hätte für uns 
doch nur Wert, wenn es ein zu einer selbständigen aktiven Kriegspolitik 
berechtigter und nicht bloß auf den Schutz seines Territoriums (ä la 
Schweiz) angewiesener Staat wäre. 
Ich muß immer wieder betonen, daß ich bei allen diesen Meinungs¬ 
abgaben nur von dem Bestreben geleitet bin, das militärische 
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