Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

ausgehend von der Erwägung, daß weitere Passivität den Ruin dier 
Monarchie sicher herbeiführt, während ein energisches aktives Auftreten 
derselben die Situation mit einem Schlage zu ihren Gunsten ändern kann. 
Haben die Ententemächte nebst Serbien auch das Machtmittel der gemein¬ 
samen Bedrohung der Monarchie, so hat letztere doch auch Machtmittel, 
diese Staaten vor die Wahl eines allgemeinen Krieges zu stellen, welchen 
die hauptsächlichsten dieser Staaten eigentlich doch fürchten. 
Löst die Monarchie die Existenzfrage nicht jetzt, so wird sie die¬ 
selbe in kurzer Zeit unter noch viel ungünstigeren Verhältnissen lösen 
müssen. 
Der Konflikt mit Serbien dreht sich nicht um dessen Nachgeben in 
der Hafen- oder der albanesischen Frage, sondern darum, ob die süd¬ 
slawische Frage durch Serbien zu seinen Gunsten gelöst wird; es ist also 
eine Existenzfrage von entscheidender Bedeutung, die gelöst werden muß. 
Trägt aber die Monarchie die jetzige Krise friedlich aus, läßt sie 
also Serbien zu einem mächtigen, auch Montenegro einbeziehenden Staat 
heranwachsen, dann muß sie sich darüber klar sein, daiß sie durch die 
neugeschaffenen Verhältnisse in Hinkunft mit einem Kriege nach drei 
Fronten rechnen, also jene militärische Bereitstellung in Kauf nehmen 
muß, welche erforderlich ist, um einer solchen Eventualität gewachsen 
zu sein. 
Dies bedingt eine personelle und eine materielle Ausgestaltung von 
Landmacht, Seemacht und Reichsbefestiguhg, die weit über das jetzige 
Maß hinausreicht, eine wesentliche Erhöhung des Friedensstandes und 
eine wesentliche Erhöhung der finanziellen Mittel, weil die meisten dieser 
Vorkehrungen auch selbst für den Fall getroffen werden müssen, daß 
es der Diplomatie gelänge, von den drei Gegnern: Rußland, Serbien (und 
dessen Balkanverbündete) und Italien einen auszuschalten und das 
Bündnis mit Rumänien aufrecht zu erhalten. < 
Sollte es daher wider Erwarten dazu kommen, daß die Machtstellung 
Serbiens nicht jetzt dauernd gebrochen, sondern ein friedlicher Ausgleich 
getroffen wird, so muß ich es mir dermalen schon Vorbehalten, im Sinne 
der vorangeführten Konsequenzen die erhöhten Forderungen hinsichtlich 
der militärischen Entwicklung zu stellen, sehe mich aber auch verpflichtet, 
dies jetzt schon anzukündigen. 
Diese Ausführungen bitte ich E. E. als den freimütigen Ausdruck 
meiner Überzeugung geneigtest zur Kenntnis zu nehmen. 
Genehmigen Euer Exzellenz etc. ~ , ,, 
& C o n r a d. 
Daß meine Anschauung der Lage auch von anderen eingeweihten 
und nach Stellung sowie persönlichen Qualitäten maßgebenden Funk¬ 
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