Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

geschaffen hätte, setzte Graf Ährenthal die Meinung entgegen, daß er 
auf friedliche Angliederung Serbiens und Montenegros hoffe. Er erörterte 
das Verhältnis zwischen Japan und Rußland, Japan und Amerika, Japan, 
Rußland und England gegenüber Amerika, ferner das Verhältnis zwischen 
Deutschland und England, endlich die Rolle der Türkei. 
Als Resume ergab sich die Forderung, daß — nachdem für die 
Marine 300 Millionen bewilligt waren — endlich mit allen Mitteln auch 
die Landmacht ausgestaltet werden müsse, damit wir 1913 hinreichend 
stark seien, um unsere Politik zu stützen. Als notwendig bezeichnete ich 
einen außerordentlichen Kredit von 480 Millionen Kronen und die 
Erhöhung der Rekrutenzahl im Wege des neuen Wehrgesetzes. All dies 
aber sofort, weil sich organisatorische Maßnahmen nicht über Nacht 
schaSen ließen. 
Wieder lenkte ich die Aufmerksamkeit Graf Ährenthals auf die ziel¬ 
bewußte Arbeit Italiens, als deren Ziel ein Krieg gegen die Monarchie 
unverkennbar war, auch auf die Gefahr, von Italien überholt zu werden. 
Ich bat ihn, bei Seiner Majestät den Ausbau des Heeres zu vertreten 
und meine Forderungen zu unterstützen. 
Am Schlüsse der Besprechung zeigte mir Graf Ährenthal als 
Kuriosum ein Memoire Metternichs an Kaiser Franz I. vom Jahre 1820, 
das genau auf die jetzige Lage (1910) stimmte und in der Forderung nach 
Ausbau der Wehrmacht gipfelte. 
Ich wäre glücklich gewesen, wenn Graf Ährenthal das Analoge 
getan hätte, aber wie die Folgezeit erwies, war dem nicht so. 
Daß ich in einer Audienz in Ischl am 29. Juli die Forderungen bei 
Seiner Majestät vertrat und dabei nicht nur auf Italien, sondern auf das 
seit seinem Vertrag mit Japan wieder gegen Westen freigewordene Ru߬ 
land wies, sowie daß ich in Audienzen am 18. September und 12. Novem¬ 
ber auf die schädliche Nachgiebigkeit gegenüber Italien aufmerksam 
machte und mich gegen widerrechtliche Einmengungen Graf Ähren¬ 
thals in militärische Maßnahmen verwahrte, soll hier nur wiederholt und 
kurz angedeutet werden. In der Audienz am 12. November kam ich bei 
Hervorhebung der Notwendigkeit des Kundschaftsdienstes auf die 
schwächliche Haltung bei auswärtigen Konflikten zu sprechen. So im 
Falle Rajakovic, eines in Serbien aufgegriffenen k. u. k. Offiziers, der Serbien 
gegenüber im Stiche gelassen wurde, während man bei uns ausländischen 
Offizieren gegenüber im analogen Falle alle mögliche Rücksicht walten 
ließ. Ich trat dem von Graf Ährenthal bei Seiner Majestät gestellten Ver¬ 
langen entgegen, Offizieren das Reisen im Ausland zu verbieten. Ich 
bemerkte: „Wenn Graf Ährenthal bei Eurer Majestät gegen mich arbeitet, 
so muß ich mich dagegen wehren.“ 
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