Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Ich zweifle nicht daran, daß ich bei Ihnen in der schweren Zeit, die 
wir gegenwärtig durchleben, einen vertrauensvollen Mitarbeiter finden 
werde im Dienste der großen Interessen der Dynastie und des Vaterlandes. 
Indem ich der Hoffnung Ausdruck verleihe, demnächst mit E. E. in 
Gedankenaustausch treten zu können, zeichne ich etc. etc. 
’ Berchtoldm. p.“ 
Ich antwortete umgehend wie folgt: 
„Euer Exzellenz! 
Ich beeile mich E. E. meinen aufrichtigsten Dank für die liebens¬ 
würdigen, eben erhaltenen Zeilen zu übermitteln, mit der Versicherung, 
daß ich mich glücklich schätze, gerade zu einer Zeit an meine jetzige 
Stelle berufen worden zu sein, in welcher das schwerste Amt der 
Monarchie in Ihren Händen ruht, und daß es mein eifriges Bemühen sein 
wird, meine leider weit überschätzten Kräfte so gut ich kann zur 
Verfügung zu stellen. 
Ich werde ehestens meinen Dank mündlich wiederholen und bitte 
E. E. den Ausdruck der vorzüglichen Hochachtung entgegenzunehmen, 
mit der ich bin _ _ „ , , 
Euer Exzellenz ergebenster „ , 
b Conrad m. p. 
Wien, 15. Dezember 1912.“ 
Ich bin seither mit Graf Berchtold stets auf dem Fuße gegenseitigen 
offenen, vertrauensvollen, und ich darf sagen, freundschaftlichen Verkehrs 
gestanden, wenn auch unsere sachlichen Anschauungen nicht immer 
parallel liefen. Ich fand in ihm stets den vornehmen, von allen selbst¬ 
süchtigen Motiven freien, nur auf das Wohl der Monarchie bedachten 
Diplomaten, der von seinem Vorgänger ein Erbe übernommen hatte, wie 
es nicht schwieriger sein konnte. 
Am 16. Dezember vormittags zur Audienz in Schönbrunn, besprach 
ich auch mit Seiner Majestät die Lage, die der Kaiser als eine äußerst 
schwierige, für Österreich-Ungarn gefahrvolle erachtete, für die er jedoch 
eine friedliche Lösung erhoffte. 
So wie schon öfter, fielen seinerseits besorgte Worte hinsichtlich des 
Bestandes der ö.-u. Monarchie. Auch deren innere Verhältnisse, 
insbesondere die Vorgänge in Böhmen, sowie der unausgesetzte Hader 
der Parteien und Nationalitäten bedrückten ihn, und es ist mir sein 
wiederholt getaner Ausspruch erinnerlich: „Glauben Sie mir, die 
Monarchie kann man nicht konstitutionell regieren.“ 
Nichtsdestoweniger hielt sich der Kaiser auf das allerstrengste an 
seine konstitutionellen Herrscherpflichten.
	        
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