Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Jahre 1910. Andeuten möchte ich hier nur, daß mir in politischer Hin¬ 
sicht die scharfe Trennung der deutschen und der romanischen Strömung 
in der Schweiz aufgefallen war, in militärischer Hinsicht aber der über¬ 
raschende Umstand, daß ein Milizsystem, wie jenes der Schweiz, uns 
kostspieliger gekommen wäre als unser stehendes Kaderheer. 
Österreich-Ungarn. In der äußeren Politik der Monarchie 
schien die diplomatische Beilegung der Annexionskrise und das Vertrauen 
auf den Dreibund für die nächste Zukunft ein gewisses Gefühl der Sicher¬ 
heit zu rechtfertigen, wenn auch die unruhigen Zustände in der Türkei, 
die mannigfachen dortigen Verwicklungen und die Gefahr eines dort 
plötzlich auflodemden Brandes die Blicke stets nach dieser Richtung 
lenkten. 
Wie aus allen früheren Darlegungen erklärlich, konnte ich das Gefühl 
der Sicherheit nicht teilen. Ich sah in der Scheinlösung der Annexions¬ 
krise die zukünftige serbische Gefahr, in dem konstanten militärischen 
Erstarken der Ententemächte das drohende Unheil eines Kampfes gegen 
erdrückende Übermacht und in Italien einen treulosen Bundesgenossen, 
der sich skrupellos auf die Seite unserer Gegner schlagen wird. 
Diese meine Anschauungen habe ich wiederholt mündlich und 
schriftlich, so auch in meinen Denkschriften vertreten und daraus die 
dringende Notwendigkeit abgeleitet, alles aufzubieten, um für die Stunde 
der Entscheidung wenigstens militärisch so stark als möglich dazustehen. 
Das Streben nach diesem Ziele fand mannigfache Hindernisse. Der 
Kampf gegen sie brachte mich in vielseitige Konflikte, auch in jene, die 
meiner Warnung vor Italien entsprangen und meinem Bemühen, sich 
gegen diesen vermeintlichen Alliierten vorzusorgen. 
Ganz besonders erschwerend wirkten die politischen Kämpfe im 
Innern der Monarchie, so vor allem jene, die durch die Vorgänge in 
Ungarn geschaffen waren. 
Die Blicke nur nach innen kehrend und aufgehend im Hader der 
Nationalitäten und Parteien, blieb man blind gegen die sich von außen 
her auftürmenden Gefahren und blind gegen die Notwendigkeit, diesen 
Gefahren durch eine starke Wehrmacht zu begegnen. 
Während zur Zeit der Annexionskrise, bedingt durch die Lage, mein 
Verkehr mit Graf Ährenthal ein reger war, beschränkte er sich im 
Jahre 1910 auf seltenere Besprechungen. In einer solchen am 18. April 
1910 kam nach Erledigung der Bitte Rumäniens um Daten über Rußland 
die gesamte äußere Lage zur Sprache, dann jeder Kriegsfall, in den die 
Monarchie möglicherweise geraten könnte. Meinem Bemerken, daß ein 
kriegerischer Ausgleich unseres Konfliktes mit Serbien klare Verhältnisse 
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