Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

ein gewisser Umschwung in den Anschauungen der leitenden Kreise, 
sowie in dem Verhältnisse der Pforte zu den Mächten der Tripleentente 
zugunsten Deutschlands und unserer Monarchie zweifellos konstatiert 
werden muß. Diese Wandlung ist aber einerseits mit Rücksicht auf die 
innerpolitische Lage des Reiches noch zu früh eingetreten, um als definitiv 
angesehen werden zu können, anderseits kam sie zu plötzlich, um imstande 
gewesen zu sein, schon jetzt in weitere Kreise einzudringen. Die Türkei 
ist bezüglich Entwicklung ihrer Kräfte trotz allen inneren Schwierigkeiten 
momentan in aufsteigender Bewegung begriffen. Speziell die Armee hat 
in Albanien und letzthin im Hauran ihren inneren Wert erwiesen und 
dürfte sich in zwei bis drei Jahren zu einem Faktor ausgestalten, mit 
welchem bei jeder kriegerischen Verwicklung ernstlich wird gerechnet 
werden müssen. Das Ottomanische Reich wird infolgedessen in den 
nächsten Jahren aller Wahrscheinlichkeit nach an internationaler 
Bedeutung wesentlich zunehmen. 
Daß es nun für den Dreibund und besonders für uns äußerst wichtig 
ist, die Entwicklung des Ottomanischen Reiches, dessen Interessen mit den 
unsrigen parallel laufen, nach Kräften zu fördern, dann, daß unsere 
Politik nun noch mehr als bisher dahin gerichtet sein muß, die Türkei 
definitiv an unsere Seite zu bringen, kann keinem Zweifel unterliegen. Mit 
Rücksicht auf immerhin mögliche Rückschläge in der äußeren Politik der 
Türkei und auf den bekannten Charakter der Osmanen und ihre Eigen¬ 
tümlichkeiten scheint es mir jedoch, wie bisher, auch weiterhin angezeigt, 
in unseren Beziehungen zur Türkei eine gewisse Vorsicht und Reserve 
nicht außer acht zu lassen. Meine diesbezüglichen Ausführungen im 
Berichte Res. Nr. 42 vom 1. Feber 1910 scheinen mir auch heute, trotz 
der teilweise veränderten Lage, an Aktualität nicht verloren zu haben. 
Genehmigen Euer Exzellenz den Ausdruck meiner tiefsten Ehrfurcht. 
Pomiankowski, Oberst.“ 
England. Am 6. Mai 1910 starb König Eduard VII., sein Werk 
aber blieb und wirkte fort. Deutschlands Entwicklung scheel verfolgend, 
stellte England vor allem seine außereuropäischen Interessen sicher. In 
Indien, das nach außen der Vertrag mit Japan (1907) schützte, wo es 
jedoch im Innern gärte, wurde im Juni 1910 Harding zum Vizekönig 
ernannt. Die afghanische Frage war zu Gunsten Englands geregelt; in 
Persien, durch Androhung einer Besetzung Südpersiens, die Ruhe her¬ 
gestellt; mit Rußland waren die Interessensphären in Persien abgegrenzt; 
die Burenfrage war erledigt. In Europa noch in der Kretafrage engagiert, 
hatte England mit den anderen Schutzmächten (Rußland, Frankreich, 
3, Conrad II 
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