Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

zumachen sind, werden sehr bald ersetzt sein; Leute, die gezeigt haben, 
was sie können und daß sie etwas wert sind, haben stets Kredit gehabt. 
Es wird also mit absoluter Sicherheit an der Südgrenze Österreich- 
Ungarns binnen kurzem eine bedeutende slawische Militärmacht entstehen, 
die man künftig in militärischen Berechnungen nicht außer acht lassen 
kann. 
Je größer in der nach dem jetzigen Kriege vorzunehmenden General¬ 
abrechnung die Gebietsvergrößerungen Bulgariens und Serbiens bemessen 
werden, um so gefährlicher werden diese künftig ihren Nachbarn, vor¬ 
nehmlich Österreich-Ungarn und Rumänien, in politischer und militärischer 
Hinsicht. 
Die Schaffung eines »Großserbien« muß naturnotwendig zur Folge 
haben, daß die serbisch-kroatischen Landesteile Österreich-Ungams, die 
Slawonien bis zur Drau, Kroatien, Dalmatien, Bosnien und die Herze¬ 
gowina umfassen, den Anschluß an Großserbien betreiben werden. Schon 
jetzt hat — wie bekannt — nach den serbisch-bulgarischen Kriegserfolgen 
in diesen Gebieten eine tiefgehende großserbische Bewegung eingesetzt, 
die aus einer moralischen sich in eine physische Schwächung der Doppel¬ 
monarchie wandeln kann, wenn im Laufe der Zeit die Zuverlässigkeit 
der Truppenteile mit slawischem Ersatz ins Wanken oder gar die Los- 
reißung slawischer Gebietsteile von der Monarchie in Frage käme. 
Rumänien zwischen Rußland und einer größeren slawischen Militär¬ 
macht südlich der Donau würde militärisch einfach erdrückt werden, 
wenn es nicht vorsichtig vorziehen würde, sich auf die Seite dieser Nach¬ 
barn zu schlagen. In der augenblicklichen hochemsten Stunde muß der 
Soldat den Machtverhältnissen, wie sie jetzt sind und wie sie sich gestalten 
können, kalt und klar ins Auge sehen, daraus seine Schlüsse ziehen und 
sich darauf einrichten. 
Österreich-Ungarn und Rumänien müssen — das ist für sie eine 
Lebensfrage — die zu weitgehende Vergrößerung und damit militärische 
Kräftigung Serbiens und Bulgariens mit allen Mitteln hintanhalten. In 
zweiter Linie muß das germanische Deutschland dieses selbe Ziel 
verfolgen. 
Aus dieser schwierigen militärpolitischen Lage und aus diesem 
Zukunftsausblick heraus erklärt sich die augenblickliche Haltung Öster¬ 
reich-Ungarns und Rumäniens. 
Ob die Serben ein Fenster nach der Adria bekommen, ob die Alba¬ 
nesen die Autonomie, das sind nur Unterfragen in der Hauptfrage, die 
nicht lautet: Österreich-Ungarn oder Serbien?, sondern lautet: Österreich- 
Ungarn oder Rußland? Germanen oder Slawen? 
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