Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Sollte dagegen Rußland uns den Krieg erklären und gleichzeitig die 
Kriegserklärung Deutschlands gegen Rußland sowie die Kriegserklärung 
Frankreichs und Englands gegen Deutschland erfolgen, so würden wir 
gegen Rußland einerseits die Rumänen als Verbündete haben, anderseits 
würden Ruthenen, Polen, Littauer, Balten und Finnländer, im Südosten 
auch die Armenier, Grusinier und die anderen Kaukasusvölker gegen die 
Russen zu verwerten sein. Es ist nicht unmöglich, daß nach den ersten 
Waffenerfolgen der österreichischen und deutschen Armeen in Rußland 
über das Zarenreich eine ähnliche Katastrophe hereinbrechen wird, wie 
sie soeben die Türken ereilt hat. Jedenfalls wäre für Rußland eine Kriegs¬ 
erklärung ein sehr gefährliches Unternehmen. 
Wie wird sich die italienische Regierung zu dem Kriege stellen? 
Das Königreich Italien ist zwar unser Bundesgenosse, doch kommt dieses 
Verhältnis den Orientfragen gegenüber nicht in Betracht. Es liegt 
dagegen das vom Grafen Goluchowski im Jahre 1897 durchgesetzte 
Abkommen betreffend die Unantastbarkeit Albaniens vor, wodurch sich 
Österreich und Italien gegenseitig verpflichtet haben, Albanien nicht zu 
besetzen oder zu annektieren. Wenn demnach Österreich der italienischen 
Regierung das formelle Versprechen gibt, nach der Verdrängung der 
Serben aus Albanien dieses Land ebenfalls sofort wieder zu räumen, so 
liegt für Italien nicht die geringste Veranlassung vor, aus seiner 
Neutralität herauszutreten. Anderseits dürften bereits zwischen Wien und 
Rom Abmachungen getroffen sein, wonach Italien das von ihm besetzte 
Rhodos und einige andere türkische Inseln erhalten wird. 
Welche Haltung aber werden die Balkanverbündeten Serbiens ein¬ 
nehmen? Nun, soviel steht schon jetzt fest, daß Griechenland die Serben 
in einem Kriege gegen Österreich nicht unterstützen wird, während 
Bulgarien ebensosehr auf die Türken wie auf Rumänien Rücksicht zu 
nehmen hat. Da der Balkanbund nur für einen Kampf gegen die Türken 
geschlossen wurde, so bedeutet der von Serbien gewollte Konflikt mit 
Österreich einfach die Sprengung des Balkanbundes. Für Serbien selbst 
würde der Konflikt mit unserer Monarchie das Ende seiner Selbständigkeit 
bringen. Da dieses Land nicht im Frieden neben unserer Monarchie 
leben will, so muß es diesen Frieden innerhalb der Monarchie finden.“ 
Auch die deutsche Presse wandte den Geschehnissen am Balkan 
ihre volle Aufmerksamkeit zu. So brachten die „Münchener Neuesten 
Nachrichten“ in Nr. 603 vom 26. November 1912 folgenden, die Lage 
klar und scharf erfassenden Artikel: 
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