Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Eine neue Situation lag vor! 
Meine Auffassung zu dieser Zeit legte ich in einem Essay vom 
19. November 1912 nieder; es lautete: 
„Essay 
vom 19. November 1912. 
Moltke: »Erst wägen, dann wagen!« 
Ich setze dazu: dann aber auch wirklich wagen, rücksichtslos, ohne 
Zögern, ohne Halbheiten. 
Insolange es noch zu hoffen stand, daß es möglich sein werde, im 
friedlichen Einvernehmen mit Serbien die durch den Balkankrieg gefähr¬ 
deten Interessen der Monarchie zu wahren, erschien es selbstverständlich, 
daß dieser Weg angestrebt wird. 
Die Haltung Serbiens hat aber seither eine Richtung genommen, 
welche nicht nur ein solches Einvernehmen auszuschließen scheint, sondern 
dazu angetan ist, das Prestige der Monarchie und damit deren politisches 
und wirtschaftliches Gewicht schwer zu beeinträchtigen, so daß die 
Monarchie bemüßigt ist, den Appell an die Waffen in Aussicht zu nehmen. 
In dieser Lage erachte ich folgendes für nötig, beziehungsweise 
geraten: 
1. Alle jene Vorkehrungen, wie ich sie im Winter 1908/09 für den 
Kriegsfall gegen Serbien allmählich durchgesetzt habe, sind sofort durch¬ 
zuführen. 
2. In gleicher Weise hat dies hinsichtlich aller jener Vorkehrungen 
zu geschehen, die ich in meinem (beiliegenden) Essay vom 16. November 
hinsichtlich des Kriegsfalles »R« angeführt habe. 
3. Diesen dringendsten Vorkehrungen haben dann auch alle weiter 
noch nötigen zu folgen (Verpflegsvorsorgen, Materialbeschaffungen etc.). 
Sobald diese Vorkehrungen hinsichtlich der Standeserhöhung perfekt 
sind, wäre ein Rundschreiben an die Mächte zu richten, das nach¬ 
stehendem Gedankengang zu folgen hätte: 
Die Balkanstaaten haben durch den ganz auf eigene Faust über¬ 
raschend begonnenen Krieg eine Situation geschaffen, durch die nicht 
nur mannigfache Interessen der Monarchie, sondern auch mannigfache 
Interessen der anderen Staaten, speziell der Großmächte, empfindlich 
tangiert erscheinen. 
Die Monarchie hat, obgleich sie ohneweiters in der Lage gewesen 
wäre, gegen die Aktion der Balkanstaaten einzugreifen, dies nicht getan 
in der sicheren Erwartung, daß die Wahrung ihrer Interessen im Wege 
friedlichen Übereinkommens außer Zweifel gestellt sei. 
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