Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

In diesen Zugeständnissen sehe ich die wesentlichste Bedeutung der 
albanesischen Frage für die Monarchie. 
II. Die kontinental-militärischen Interessen. 
Die nächste Bedeutung liegt darin, in Albanien einen selbständigen 
Staat zu schaffen, welcher als Gegengewicht gegen Serbien und Monte¬ 
negro ausgespielt werden könnte, wenn es zu Konflikten mit diesen 
Staaten kommen sollte. Albanien mit zirka 1,900.000 Einwohnern ver¬ 
möchte immerhin ein Heer zu stellen, welches Montenegro und einen 
Teil der serbischen Kräfte, darunter insbesondere die jetzt neuhinzu- 
kommenden, zu binden vermöchte, so daß man mit 8 ö.-u. Divisionen den 
Rest niederhalten, also 40 Divisionen für einen eventuellen Hauptkriegs¬ 
schauplatz verfügbar haben könnte. 
Vorausgesetzt ist dabei, daß ein autonomes Albanien auch tatsächlich 
der Monarchie zur Seite tritt, und nicht entweder ganz passiv bleibt oder 
sich einem andern Staate (Italien) dienstbar macht, wofür zwar möglichst 
Garantien geschaffen werden müßten, worauf jedoch nicht mit voller 
Sicherheit gerechnet werden kann, insbesondere wenn man diesem Staat 
(Italien) schon im voraus eine Einflußnahme in Albanien einräumt, wie 
dies leider schon geschehen oder doch in Aussicht gestellt sein soll. 
III. Die kommerziellen Interessen. 
Ich bin in dieser Richtung viel zu wenig Fachmann, um ein 
bestimmtes Urteil abgeben zu können, aber es scheint mir kein Vorteil für 
die Monarchie zu sein, wenn Serbien die Möglichkeit erhält, mit 
Umgehung des Gebietes der letzteren einen Schienenweg an die Adria 
und dortselbst einen Hafen zu bekommen, durch welchen es ungehindert 
exportieren und importieren kann. Allerdings gibt es anderseits auch 
eine Ansicht, wonach ein hiedurch wirtschaftlich aufblühendes Serbien 
ein sehr willkommenes, kaufkräftiges Absatzgebiet für die Monarchie 
würde. Welche der beiden Anschauungen zutrifft, wäre fachmännisch 
festzustellen. 
IV. Die allgemein-politischen Interessen. 
Bezüglich dieser ist vor allem zu entscheiden, ob man in Hinkunft 
der Politik die Richtung nach einer Serbien und Montenegro freund¬ 
schaftlichen, auf den möglichst innigen Anschluß an die Monarchie 
abzielenden Haltung geben, oder ob man eine Richtung wählen will, 
welche mit der gewaltsamen Niederringung dieser beiden Staaten rechnet. 
Vor allem bergen beide Richtungen, wenn auch auf verschiedenen 
Wegen, die Gefahr, daß die südslawischen Staaten den Zusammenschluß 
mit den südslawischen Gebieten der Monarchie und dann die Abtrennung 
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