Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Sollen aber die Interessen der Monarchie hinsichtlich Albaniens 
gewahrt werden, so sind eheste Verhandlungen mit den Führern Alba¬ 
niens erforderlich; etwa auf folgender Basis: 
Die Monarchie tritt für die Autonomie Albaniens ein, gegen Annahme 
des Protektorates oder doch weitestgehender Einflußnahme, sowie gegen 
Abtretung des Hafens von Valona. 
Die Albanesen haben dieses Eintreten der Monarchie für ihre Inter¬ 
essen selbst zu beantragen. 
Auch wäre zu sondieren, ob die Idee der Erwählung eines öster¬ 
reichischen Prinzen auf den Thron Albaniens Aussicht auf Realisierung 
hätte, wenn ja, so wäre dies unbedingt anzustreben. 
Hinsichtlich der im Vorstehenden erwähnten etwa auftauchenden 
Zwietracht zwischen den Balkanstaaten möchte ich folgendes anführen: 
Ich hatte heuer in der zweiten Hälfte September, also in einer Zeit, 
in welcher die Abmachungen zwischen den Balkanstaaten schon längst 
perfekt waren, öfter Gelegenheit, in Portorose mit Prinz Mirko von 
Montenegro zu sprechen. Aus seinen Äußerungen entnahm ich den weit¬ 
gehenden Haß, welcher zwischen der montenegrinischen und der 
serbischen Königsfamilie besteht. Ich konnte mich auch des Eindruckes 
nicht entschlagen, daß Prinz Mirko die Aspiration hat, auf den serbischen 
Königsthron zu gelangen und hiezu auf die Unterstützung seitens der 
Monarchie rechnet; positive Anhaltspunkte habe ich hiefür allerdings keine.“ 
Auch diesen Zusatz sandte ich an Exzellenz Baron Bolfras, Graf 
Berchtold und Oberst Dr. von Bardolff. 
Am 8. November 1912 hatten die Griechen Salonik besetzt. Sie waren 
der bulgarischen Kolonne Todorow zuvorgekommen. Am 12. November 
hielt König Georg dortselbst seinen Einzug. 
Wo schon vor mehr als fünfzig Jahren weitblickende Politiker*) 
ein österreichisches Emporium erhofften, wehten jetzt Griechenlands 
Fahnen. 
Am 13. November richtete die Pforte ein Friedensangebot an König 
Ferdinand von Bulgarien, das dieser jedoch ablehnte, in der Erwartung, 
im Siegeslauf auch Konstantinopel zu erreichen, trotz des Gegensatzes, 
in den er dadurch zu Rußland kommen mußte. 
Um diese Zeit verfaßte ich das nachfolgende Memoire als zweiten 
Nachtrag zu meinem Essay vom 28. Oktober 1912 und sandte es wie 
die früheren an die drei wiederholt genannten Stellen. 
*) Konsul Hahn: „Von Belgrad nach Salonik.“ 
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