Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Bund mit den Balkanstaaten schließt oder nicht. Es hätte die Monarchie 
also gar nichts gewonnen, wenn sie sich Englands wegen abhalten ließe, 
dem Bund beizutreten, sondern sie würde nur die damit verknüpften 
Vorteile einbüßen. 
Rumänien. Es ist eine bekannte Tatsache, daß Rumänien dem 
Anwachsen Bulgariens sehr mißgünstig gegenübersteht, sowie daß es 
auch territoriale Ansprüche an Bulgarien geltend macht. Ob Rumänien 
darin so weit gehen wird, daß es sich jetzt kriegerisch gegen Bulgarien 
wendet, ist bei den fortwährenden Niederlagen der Türkei und bei der 
Gefährdung durch Rußland kaum anzunehmen. Jedenfalls müßte 
Rumänien diesen Schritt sofort unternehmen und nicht erst abwarten, bis 
die Türkei einen neuen Echec erlitten hat. Rumäniens Haltung muß sich 
also sehr bald deklarieren. Bei nüchterner Erwägung fände Rumänien 
im Beitritt zum Bund die beste Gewähr für sein wirtschaftliches und 
staatliches Gedeihen. Der Anschluß Rumäniens wäre aber auch für die 
Monarchie von besonderem Vorteil, insbesondere wenn es dadurch 
gelänge, Rumänien dauernd in Gegnerschaft zu Rußland zu erhalten, dem 
es ja doch gerne Bessarabien abnehmen möchte. 
Nicht zu leugnen ist die Gefahr, welche darin liegt, daß sich der 
blühende Staat Rumänien gerade als Nachbar Siebenbürgens entwickelt, 
welches so zahlreich von Rumänen bewohnt ist, daß stets die Sorge 
eines endlichen Zusammenschlusses der ungarländischen Rumänen mit 
denen des Königreiches besteht. Aber ich glaube, daß sich dieser nun 
einmal nicht wegzuleugnenden Gefahr eines Verlustes der rumänischen 
Gebiete viel eher verbeugen läßt, wenn man es erreicht, daß sich 
Rumänien an die Monarchie anschließt, als wenn man es außerhalb der 
letzteren als unablässigen Attraktionsherd bestehen läßt, nachdem man 
schon im Jahre 1854/55 versäumt hat, diese Gebiete der Monarchie 
einzuverleiben. 
Voraussicht ist in dieser Beziehung besonders geboten, da Rußland 
in Rumänien eine Partei unterstützt, welche den Anschluß der ungar- 
ländischen Rumänen an das Königreich zum Ziele hat. 
Albanien. Es ist kaum anzunehmen, daß die vier kriegführenden 
Balkanstaaten ihre kriegerischen Unternehmungen auch auf ganz Albanien 
erstrecken und die Aufteilung dieses Gebietes anstreben werden. Albanien, 
räumlich ganz von der Türkei losgelöst, wird dadurch zu einem eigenen 
staatlichen Gebiet. Diese Autonomie Albaniens wäre unbedingt zu 
stützen, aber unter der Bedingung der Annahme eines ö.-u. Protektorates, 
etwa in der Art wie Ägypten unter England. 
21, Conrad II 
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