Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Politisch-militärische Tätigkeit als Armee-Inspektor. 
Mit meiner Enthebung von der Stelle des Chefs des Generalstabes 
waren für mich auch alle jene offiziellen Quellen versiegt, die mich bisher 
über die politische und militärische Lage, speziell auch mit Bezug auf das 
Ausland orientierten. Ich war in dieser Hinsicht nunmehr im wesent¬ 
lichen lediglich auf die Zeitungs-Lektüre angewiesen. Es ist selbst¬ 
verständlich, daß ich dieser mit vollem Interesse, vornehmlich in Hinblick 
auf jene Fragen oblag, die ich vital für Gedeihen und Bestand Österreich- 
Ungams erachtete. 
Nur hinsichtlich der Ereignisse des Tripolis- und später des Balkan¬ 
krieges erhielt ich — gleich allen Armee-Inspektoren — offizielle Mit¬ 
teilungen über den Gang der Operationen in Form von im Evidenzbureau 
des Generalstabes zusammengestellten Tagesberichten. 
Am 17. Feber 1912 war Graf Ährenthal einem längeren schweren 
Leiden erlegen. Sein Nachfolger war Leopold Graf Berchtold, der 
mehrjährige k. u. k. Botschafter in Petersburg. Ich hatte nie Gelegenheit 
gehabt, Graf Berchtold persönlich kennen zu lernen. Anbetrachts meiner 
nunmehrigen rein militärischen Stellung suchte ich auch eine solche nicht. 
Selbst bei den Hoffesten vermied ich sie. Erst gelegentlich eines Diners, 
das Baron Leopold Chlumecky — der Verfasser eines bedeutungsvollen 
politischen Werkes über Italien — veranstaltete, um mir Gelegenheit zu 
geben, über die mit ihm öfter erörterte albanesische Frage auch mit Graf 
Berchtold zu sprechen, stellte ich mich letzterem vor. 
Ich gewann hiebei sofort den Eindruck, daß Graf Berchtold, bei 
aller Wahrung seiner eigenen Ansichten, auch solche anderer anzuhören, 
und wenn auch nicht zu akzeptieren, so doch zu erwägen geneigt war, 
ohne sich von Haus aus auf den prinzipiell ablehnenden Standpunkt seines 
Vorgängers zu stellen. 
Ich sah mich nun wieder — jedoch als abseits stehender Privat¬ 
mann — in politische Auseinandersetzungen gezogen. 
Aber auch noch ein anderer Beweggrund führte mich auf dieses 
Gebiet; es waren die Pflichten als Geheimer Rat. Der in der Öffentlichkeit 
wenig gekannte, bei der Ernennung zum Geheimen Rat vor Seiner 
Majestät und dem Minister des Äußern und des Kaiserlichen Hauses 
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