Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Es ist freilich bequem, sich bei Führung der Politik im Frieden die 
im Krieg verantwortlichen Organe vom Leibe zu halten, dann aber, 
wenn der Kriegsfall eintritt, alle Verantwortung auf sie abzuwälzen. 
Die Diplomaten dieser Schule betrachteten die Armee wie einen 
Regenschirm, den man im Kasten löcherig werden läßt und erst hervor¬ 
holt, wenn es zu gießen anfängt. Die Diplomaten unserer Gegner aber 
sahen in der Armee das wirksamste Mittel der Politik, das man sich für 
ein bestimmtes Ziel herrichtet, dann aber auch gebraucht, 
und wäre dieses Ziel selbst nur die eigene Erhaltung. 
Was die Anschuldigung hinsichtlich publizistischer Propaganda 
betrifft, so habe ich schon an anderer Stelle deren Haltlosigkeit dargetan. 
Wer, wie Graf Ährenthal, in dem von mir vertretenen Vorgehen gegen 
Serbien und Italien eine „imperialistische“ Tendenz erblickt, 
übersieht gänzlich, daß es sich, insbesondere im Hinblick auf Serbien, um 
einen aggressiven, hartnäckigen, das Fundament der Monarchie unter¬ 
grabenden Feind, somit für diese um einen Existenzkampf handelte. 
Daß man nach glücklicher Durchführung dieses Kampfes auch daran 
denken würde, die wirtschaftlichen Vorteile auszunützen, kann wohl nicht 
als „Imperialismus“ bezeichnet werden, wie etwa die Eroberung Indiens, 
Südafrikas und Ägyptens. Zudem wäre dies nicht zum Schaden Serbiens 
gewesen, da es, angegliedert an die Monarchie, jener Kulturvorteile teil¬ 
haftig geworden wäre, an denen sich die verschiedenen nichtdeutschen 
Nationalitäten des alten Reiches seit Jahrhunderten großgezogen und 
kulturell entwickelt hatten. Manche Bande knüpften Serbien ohnehin 
schon an dieses. Zahlreiche, die Hochschulbildung anstrebende junge 
Serben studierten in Wien und Graz, wo sie stets auf das gastfreund¬ 
lichste aufgenommen waren. Was schließlich die „Militärpartei“ anlangt, 
so stand mir nichts ferner, als die „Gründung“ einer solchen. Ich habe 
meine Ansichten stets direkt und allein vertreten. Hinterhältige Machina¬ 
tionen lagen meinem Wesen immer fern. Daß es viele Menschen gab, 
die gleicher Ansicht waren wie ich und zwar auch viele sehr vernünftige, 
die nie den Militärrock trugen, und daß diese Menschen ihrer Meinung 
auch öffentlich Ausdruck verliehen, vermochte ich nicht zu hindern. Den 
mir unterstehenden Organen aber hatte ich dies verboten. 
Dem Evidenzbureau war es gelungen, aus italienischen Einberufungs¬ 
befehlen für 1911 nachzuweisen, daß Italien im Jahre 1908/09 gleichfalls 
eine Einberufung vorbereitet hatte, die sich offenbar gegen Österreich- 
Ungarn richtete. 
In einem Schreiben vom 8. November 1911 übersandte ich Graf 
Ähren thal eine Zusammenstellung, aus der sich ergab, daß Italien seine 
Heeresstärke um 210.000 Mann erhöht, von denen 80.000 Mann auf das 
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