Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

nur die momentanen Absichten, sondern auch die zukünftigen Aspiratio¬ 
nen Italiens — über welche ich mir übrigens nie im Unklaren war — 
enthüllt, erbitte ich umsomehr die Allerhöchsten Weisungen Eurer 
Majestät, als ich, an meinen seit Jahren ausgesprochenen Überzeugungen 
festhaltend, in Italien einen aufstrebenden Staat erblicke, dessen Expan¬ 
sionsbestrebungen zur Schädigung der Interessen der Monarchie und 
daher zur Gegnerschaft mit dieser führen müssen, will die Monarchie 
nicht auf die letzten Chancen verzichten, die sich ihrer kommerziellen, 
territorialen und politischen Erhaltung und Entwicklung bieten. 
Ich bin der Ansicht, daß diese Gegnerschaft ins Auge gefaßt und 
damit gerechnet werden muß, gegen Italien spätestens dann aktiv auf¬ 
zutreten, wenn es gegen diese Interessen der Monarchie — sei es offen 
oder verhüllt, sei es direkt oder indirekt — handelt. 
Eine solche Stellungnahme gegen Italien setzt aber die volle mili¬ 
tärische Bereitschaft und daher Maßnahmen voraus, welche ehestens 
getroffen werden müssen. 
Hier berührt die Politik direkt meine ressortmäßigen Obliegenheiten, 
weshalb ich mich verpflichtet sehe, eine Allerhöchste Weisung Eurer 
Majestät in dieser Frage a. u. zu erbitten. 
W i e n, am 8. Oktober 1911. C o n r a d, m. p., G. d. I.“ 
Daraufhin wurde mir in einem Erlasse vom 17. Oktober 1911 
folgende Allerhöchste Entschließung bekanntgegeben: 
„Für die Ihr Ressort betreffenden Obliegenheiten hat nach wie vor 
der Grundsatz zu gelten, daß für die Wehrmacht stets jede mögliche 
Kriegsbereitschaft anzustreben ist. In Kenntnis dessen leitet Mein Minister 
des Äußern die Angelegenheiten seines Ressorts der Monarchie im Sinne 
Meiner Willensmeinung und in Übereinstimmung mit Meinen beiden 
Ministerpräsidenten.“ 
Ich fand in dieser Allerhöchsten Entscheidung keinerlei Aufforderung 
oder Ursache, von meinem bisherigen Wege abzugehen, der darauf 
gerichtet war, durch rechtzeitiges Handeln die Monarchie vor Kriegen 
zu bewahren, die ihre militärischen Kräfte überstiegen, sowie darauf, jede 
mögliche Kriegsbereitschaft unermüdlich anzustreben. 
In diesem Sinne war auch mein an Graf Ährenthal gesandtes 
Schreiben vom 24. September 1911, das er mir nicht beantwortete, 
abgefaßt. Ich erfuhr erst später, daß es den größten Unwillen des 
Ministers des Äußern wachgerufen hatte. 
In die Zeit — Mitte Oktober — fiel auch meine Korrespondenz mit 
Graf Ährenthal anläßlich der Entsendung unseres Militärattaches von Rom 
weg nach Tripolis, gegen die ich Einsprache erhoben hatte, dai ich in 
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