Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Am selben Tag erschien Oberstleutnant von Brosch, der Flügel¬ 
adjutant des Thronfolgers, bei mir, um sich im Aufträge des letzteren 
über den Verlauf der Audienz zu erkundigen. Ich konnte die Frage damit 
beantworten, daß die Audienz ohne Zwischenfall, ganz normal 
verlaufen sei. 
Brosch erwähnte, daß gegen mich ein großes Komplott bestehe, daß 
Graf Ährenthal zwei Männer wie Auffenberg und mich nicht vertrage imd 
daher entweder Georgi* **)) Kriegsminister würde, falls ich bleibe, oder ich ent¬ 
fernt würde, wenn Auffenberg als Kriegsminister belassen werden sollte. 
Als Anlaß wolle man die heurigen Armeemanöver wählen, in der 
Hoffnung, daß diese mißglücken, oder sich ein Zerwürfnis zwischen mir 
und dem Thronfolger ergeben würde®*). 
Darauf erwiderte ich Brosch, daß man den Verlauf der Manöver 
wohl nie in der Hand habe, daß ich es aber auf ein Zerkriegen mit Seiner 
Kaiserlichen Hoheit nicht ankommen lassen werde. Im übrigen sei es 
mir ganz gleichgültig, ob ich bleibe oder gehe. 
Brosch meinte hierauf: „Die heurigen Manöver muß man auch als 
ein Politikum betrachten. Der Thronfolger hat vom Kaiser einen Brief 
bekommen, daß die Entscheidung wegen Schönaich erst nach den 
Manövern verlautbart wird.“ 
Am 25. September 1911 sandte ich an Graf Ährenthal mein bereits 
im früheren vollinhaltlich gegebenes Schreiben vom 24. September, in 
dem ich mich über die politische Lage und die daraus zu ziehenden 
Konsequenzen aussprach und ihn um Bekanntgabe der Richtung seiner 
Politik bat. (Siehe Seite 172.) 
Die Meinungsdifferenz zwischen mir und Graf Ährenthal erwies sich 
aber in der Folge immer mehr und mehr als unüberbrückbar. 
Die Politik des Grafen Ährenthal stand nicht auf dem realen 
Boden des Erreichbaren. Sie war auf die Utopie gegründet, 
daß es gelingen könne, die Feinde Österreich-Ungams zu besänftigen, 
das Aufgeben ihrer aggressiven Pläne zu erschmeicheln; Pläne, die aus 
*) Der bisherige k. k. Landesverteidigungsminister. 
**) Ich hatte diese Manöver in die Karpathen verlegt und fand dabei 
Bedenken des Thronfolgers wegen der Schwierigkeit des Terrains. Ich 
ließ diese Bedenken nicht gelten; nur meine Absicht, die Manöver mit 
dem Einbruch eines großen Kavalleriekörpers zu beginnen, stieß auf 
entschiedenen Widerstand des Thronfolgers und mußte daher insoweit 
unausgeführt bleiben, als nur eine Kavalleriebrigade in der gedachten 
Weise zur Verwendung kam. 
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