Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Die Tabelle zeigt, daß in den letzten drei Jahren bei uns 34 Indi¬ 
viduen wegen Betreibung des Kundschaftsdienstes zu Gunsten einer 
fremden Macht aufgegriffen wurden, hievon waren für Italien 13, für 
Rußland 21 dieser Spione tätig. 
In derselben Zeit wurden in Italien vier und in Rußland drei 
unserer Kundschafter aufgegriffen. 
Die in Beilage 7 ausgewiesenen, in Serbien verurteilten vier Spione 
wurden im Frühjahre 1909 alle gleichzeitig festgenommen, zu einer 
Zeit, als in unseren südslawischen Gebieten die reichsfeindliche Bewe¬ 
gung in vollster Blüte stand, so daß Serbien und Montenegro über 
straflos gebliebene Vertrauensmänner in größter Zahl verfügten. 
Aus den vorstehenden a. u. Darlegungen geht mit voller Klarheit 
hervor, daß wir keinem der genannten Staaten gegenüber die mora¬ 
lische Verpflichtung haben, unseren Kundschaftsdienst einzuschränken 
und daß unsere äußere Vertretung sehr berechtigt gewesen wäre, bei 
der russischen und italienischen Regierung wegen der äußerst regen 
Spionage Vorstellung zu machen. 
Dies ist — so weit mir bekannt — nicht geschehen, wohl aber hat 
der ö.-u. Botschafter in Rom, Herr von Merey, anläßlich der Festnahme 
eines Kundschafters in Venedig im Frühjahr 1911 in einem an den 
Grafen Ährenthal gerichteten Schreiben die Worte gebraucht: »Ich muß 
es E. E. überlassen, zu beurteilen, ob auf die bisherige Langmut der 
italienischen Regierung gegenüber den sich derart häufenden Spionage¬ 
fällen auch weiter gerechnet werden darf und ob unsere offiziellen 
freundschaftlichen Beziehungen und unser Bundesverhältnis zu Italien 
auf die Dauer eine solche Belastungsprobe vertragen.« 
Als das Reichskriegsministerium im Einsichtswege von diesem 
Berichte Kenntnis bekam, konstatierte es die weitaus überwiegende Zahl 
von Fällen italienischer Spionage auf unserem Gebiete, und ich fügte 
die — selbstverständlich nur für das Reichskriegsministerium bestimmte 
— als Beilage 8 a abschriftlich a. u. zugelegte Bemerkung bei, in 
welcher ich meiner Überzeugung über die Anschauungen des Herrn von 
Merey Ausdruck gab und das Reichskriegsministerium bat, im Sinne 
dieser Bemerkung beim Ministerium des Äußern vorstellig zu werden. 
Daß das Reichskriegsministerium diese, offensichtlich nicht für das 
Ministerium des Äußern bestimmte Bemerkung diesem letzteren im 
Original weitergab, muß ich trotz der vom Reichskriegsministerium für 
diesen Vorgang geltend gemachten Gründe formaler Natur als einen 
bedauerlichen faux pas bezeichnen. 
Diese Ansicht habe ich, als mir die Antwortnote des Herrn Ministers 
des Äußern vom 7. August 1911 zur Kenntnis kam, deren Abschrift ich 
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