Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

„Wien, den 6. Jänner 1911. 
Hochwohlgeborner Freiherr! 
Ich habe das gefällige Schreiben vom 3. d. M. erhalten, in welchem 
E. E. meine Aufmerksamkeit auf den Umstand lenken, daß die Hochdem- 
selben aus Italien zukommenden Nachrichten übereinstimmend den Termin 
Ende April 1912 als Zeitpunkt der angestrebten Schlagfertigkeit der 
italienischen Wehrmacht erkennen lassen. 
Ich nehme diese Mitteilung zur Kenntnis und werde nicht verfehlen, 
die E. E. gemeldeten Wahrnehmungen nach Tunlichkeit auch durch meine 
Organe überprüfen zu lassen. 
Unser Bundesverhältnis mit Italien läuft — wie ich E. E. bei früheren 
Anlässen streng vertraulich mitzuteilen Gelegenheit hatte — erst im Jahre 
1914 ab; bis dahin dürfen wir uns also wohl jedenfalls als vor einem 
feindlichen Angriffe von seiner Seite gesichert betrachten. 
Die Frage, ob zu dem angegebenen Zeitpunkte der Dreibund 
erneuert werden wird, ist heute noch nicht aktuell. Ich darf indessen 
wohl darauf hinweisen, daß nach den mir zukommenden Nachrichten in 
den maßgebenden Regierungs- und parlamentarischen Kreisen wie auch 
in der öffentlichen Meinung in Italien die Tendenz die Oberhand bekommt, 
nach Ablauf des gegenwärtigen Vertrages das Allianzverhältnis mit den 
Zentralmächten zu erneuern. Wenn Italien gleichwohl mit rastloser 
Energie und unter Aufwendung sehr bedeutender Mittel an der Vervoll¬ 
ständigung seiner militärischen Rüstung weiter arbeitet, so folgt es dabei 
zunächst gewiß dem Wunsche, in dieser Beziehung hinter den übrigen 
Großmächten, die mehr oder weniger dieselben Wege wandeln, nicht zu 
weit zurückzubleiben. Nebenbei mag aber bei der italienischen Regierung 
auch der Gedanke eine Rolle spielen, daß die Land- und Seestreitkräfte 
noch vor Beginn der Vertragsverhandlungen ausgestaltet und auf eine 
möglichst hohe Stufe gebracht werden müssen, um auf diese Weise den 
Wert seiner Freundschaft zu erhöhen und von den beiden anderen 
Mächten als begehrter und gleichwertiger Bundesgenosse angesehen zu 
werden. 
Genehmigen Hochdieselben den Ausdruck meiner ausgezeichneten 
Hochachtung. Ährentha 1.“ 
Der Schlußsatz dieses Schreibens charakterisiert scharf den Gegensatz 
zwischen meiner Ansicht und jener des Grafen Ährenthal. Ährenthal 
glaubte in Italiens Rüstungen einen bundesfreundlichen Wett¬ 
bewerb zum gemeinsamen Handeln erblicken zu können, 
ich sah in denselben die Vorbereitung zum Krieg gegen 
Österreich-Ungarn.
	        
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