Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

reich und England zu befürchten. Die Aufregung dieser beiden Staaten 
wurde, wie ich glaube, hier sehr ruhig beurteilt. 
Nach alledem kann ich E. E. nur meiner Meinung dahin Ausdruck 
geben, daß sich hier in den Anschauungen über unser Bundesverhähnis 
nichts geändert habe. Sollten mir weitere Daten zugänglich werden, so 
werde ich sofort hierüber E. E. berichten. Genehmigen E. E. den Aus¬ 
druck meiner steten Verehrung als 
Euer Exzellenz gehorsamster 
B i e n e r t h, Major. 
Präsentiert Wien, am 20. Jänner 1911.“ 
Bezüglich des in diesem Bericht erwähnten Verhältnisses zu Rußland 
war es bedeutungsvoll, daß am 19. August 1911 zwischen Deutschland 
und Rußland ein Abkommen zustande kam, in dem sich beide Staaten 
hinsichtlich Persiens und des Anschlusses der dortigen Bahnen an die 
Bagdadbahn einigten. Jedenfalls war damals das Verhältnis beider 
Reiche zueinander äußerlich ein gutes. Ob dies auch im Kriegsfälle 
Deutschlands gegen Frankreich und England so geblieben wäre, und ob 
sich diese Disposition Rußlands auch auf Deutschlands Bundesgenossen 
Österreich-Ungarn erstreckt hätte, blieb allerdings fraglich. Greifbar 
aber war, daß Rußland sehr an inneren Kämpfen litt und seine Heeres¬ 
ausgestaltung noch zurückstand. 
Die dem Bündnis mit Deutschland feindlichen Artikel der ö.-u. Presse 
setzten sich auch während der Marokkokrisis fort. 
Am 9. September 1911 besuchte mich der deutsche Militärattache in 
Wien, Graf Kageneck. Er teilte mir mit, daß dies in Deutschland 
unangenehm empfunden werde, wobei er insbesondere auf den sogenann¬ 
ten Cartwright-Artikel der „Neuen Freien Presse“ vom 25. August 1911 
hin wies. 
Ich erwiderte, daß die Zeitungen nicht die Ansichten der offiziellen 
Kreise repräsentieren, sie ja auch nicht kennen, und fügte bei: 
„Ich gehe so weit, daß ich Ihnen unter vier Augen, aber mit der 
Bewilligung, es General von Moltke mitzuteilen, sage, daß ich bereits 
bei Seiner Majestät die Bitte vorgebracht habe, Verhandlungen darüber 
einleiten zu lassen, wie sich die Monarchie im Kriegsfälle zwischen 
Deutschland und Frankreich bei Abseitsbleiben Rußlands stellen würde, 
welche Vorbereitungen und Maßnahmen daher unsererseits in militärischer 
Hinsicht zu treffen wären — Aufmarsch, Instradierung usw. — daß 
jedoch Seine Majestät den Zeitpunkt hiefür noch nicht gekommen erach¬ 
tete, da er nicht glaube, daß es zum Krieg kommen werde.“ 
Graf Kageneck hatte sich hierauf nach Berlin gewendet und mir in 
einem Schreiben vom 23. September 1911 mitgeteilt:
	        
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