Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Bukarest einlangte. Mit Bezug auf deren Schlußsatz konnte wohl nur 
angenommen werden, daß König Carol besondere Gründe dafür hatte, 
diese Beziehungen dem Kollegen Bilimeks gegenüber zu verschleiern. 
Die Meldung lautete: 
„In der Folge gebe ich den Inhalt eines Gespräches wieder, welches 
einer meiner Kollegen gelegentlich einer Audienz mit Seiner Majestät 
dem König halte: 
Seine Majestät besprach die Aspirationen Bulgariens, Serbiens und 
Montenegros gegenüber der Türkei und meinte, daß Bulgarien nur auf 
einen günstigen Moment warte, um sein Gebiet vergrößern zu können. 
Seine Majestät der König hatte diesbezüglich auch mit Seiner Majestät 
dem Zar Ferdinand gesprochen und letzterem erklärt, daß Rumänien nie 
eine Gebietserweiterung Bulgariens — außer es würde selbst seinen 
eigenen Vorteil hiebei haben — zugeben könne, da ja auch sonst die 
Erhaltung einer so großen Armee nicht gerechtfertigt wäre. 
Weiters besprach Seine Majestät folgendes: 
Unlängst war Prinz Roland Napoleon (ein Mann in den fünfziger 
Jahren, befaßt sich mit wissenschaftlichen Studien, ist verheiratet mit der 
Tochter des früheren Pächters und jetzigen Aktionärs der Spielbank in 
Monte Carlo, Camille Blanc, und sehr vermögend) in Sofia, reiste hierauf 
nach Brüssel und traf daselbst auch mit dem rumänischen Gesandten 
zusammen. Das Gespräch berührte bald die Politik und meinte Prinz 
Napoleon, daß die Stellung Rumäniens sehr gesichert sei, da es ja mit 
Österreich-Ungarn eine Militärkonvention abgeschlossen habe. Der 
rumänische Gesandte war hierüber sehr erstaunt und dementierte jegliche 
Existenz einer solchen, worauf Prinz Napoleon ihm lächelnd erwiderte, 
daß man ihm in Sofia Einblick in eine Abschrift des diesbezüglichen 
Vertrages gestattet habe. Der Gesandte meldete dies dem König und 
Seine Majestät sprach meinem Kollegen gegenüber seine Entrüstung über 
diese falsche Nachricht aus und bezeichnete den Vertrag — welchen man, 
wenn überhaupt, nie schriftlich, sondern nur mündlich schließen würde — 
als eine plumpe Fälschung. _ ... , , 
Bilimek, Hauptmann. 
Bukarest, am 22. Juni 1911.“ 
Marokkofrage. Als wichtigstes Ereignis in der Politik der 
Westmächte stand die wieder aufgetauchte Marokkofrage im Vordergrund. 
Wenn man diese durch die diplomatische Aktion der Algeciras-Akte 
(28. März 1906) und des Marokko-Vertrages (9. Feber 1909) geordnet 
glaubte, so war dies ein Irrtum. Der erste Aufstand der Mauren und 
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