Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Am 21. März 1911 hatte ich den k. u. k. Militärattache in Sofia, 
Oberstleutnant von Hranilovic, empfangen und mir vor allem über die 
Reorganisation der bulgarischen Armee berichten lassen. Er bestätigte, 
daß der ursprüngliche große Plan einer Verdoppelung der Divisionen 
allmählich durchgeführt werde. Es sollten zur Formierung gelangen: 
9 Infanteriedivisionen erster Linie zu je 16 Bataillonen und 9 Infanterie¬ 
divisionen zweiter Linie zu je 12 Bataillonen, mit der Absicht, je eine 
Division erster und eine solche zweiter Linie in ein Korps zu vereinigen. 
Er hob die große Sorge Bulgariens gegenüber Rumänien hervor, weil 
es Anhaltspunkte dafür besitze, daß beim Wiederaufleben der mazedo¬ 
nischen Wirren im Frühjahr Rumänien nicht gleichgültig bleiben werde. 
Auch sei Bulgarien durch den vermeintlichen rumänisch-türkischen Vertrag 
irritiert. Hranilovic bemerkte, daß nach seiner Orientierung wohl türkisch¬ 
rumänische Besprechungen stattgefunden hätten, ein förmlicher Vertrag 
aber nicht bestehe. 
Ich erkundigte mich dann nach dem König. Hranilovic meinte, daß 
er zwar im Lande nicht beliebt, aber als kluger und dem Staate nützlicher 
Regent anerkannt sei. Er hob des Königs große Empfindlichkeit hervor. 
Sie äußere sich auch in seiner Verstimmung darüber, daß Kaiser Franz 
Joseph in Wien ihm nicht den Besuch*) erwidert und er auch noch nicht 
das goldene Vließ erhalten habe. 
Am selben Tag (21. März) hatte ich auch eine längere Unterredung 
mit dem k. u. k. Militärattache in Bukarest, Hauptmann von Fischer. 
Meine Frage nach der Heeresausgestaltung beantwortete er dahin, daß 
sie im Zuge sei, namentlich hinsichtlich der Territorialformationen, dann, 
daß Rumänien starke Garnisonen in die Dobrudza verlege. 
Bulgarien gegenüber sei ein Umschwung eingetreten, denn während 
bisher Rumänien Besorgnisse hegte, denke es jetz selbst daran, im Falle 
von Komplikationen am Balkan aktiv gegen Bulgarien aufzutreten und 
seine Kräfte hiezu in der Gegend von Crajova und Slatina zu konzen¬ 
trieren. Eine Vereinbarung mit Serbien im Falle eines Coups gegen 
Bulgarien bestehe tatsächlich. 
Es kam nun der rumänische Aufmarsch im Falle eines gemeinsamen 
Krieges gegen Rußland zur Sprache. 
Fischer berichtete, daß vor unserer Einflußnahme keine Aufmarsch¬ 
arbeiten bestanden, sondern erst daraufhin in Angriff genommen worden 
seien. Er habe den Eindruck, daß Vorarbeiten jetzt bestehen, auch hin¬ 
*) Der Gegenbesuch war nur deshalb unterblieben, weil der König 
selbst Seiner Majestät gesagt hatte, daß er noch am selben Nachmittag 
abreisen werde, die Zeit zum Besuch also mangelte. 
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