Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

In seiner Antwort vom 16. Feber 1910 stimmte Graf Ährenthal bei, 
daß für den Fall, als ein Konflikt Österreich-Ungams und Deutschlands 
mit Rußland unvermeidlich wäre und unmittelbar bevorstünde, Klarheit 
darüber geschaffen werden müßte, wer den Verbündeten als Feind oder 
Freund gegenübersteht; er schreibt dann: 
„Ich habe wiederholt Gelegenheit genommen, der Ansicht Ausdruck 
zu geben, daß Rußland auf Jahre hinaus außerstande ist, aktive Politik zu 
führen und glaube annehmen zu dürfen, daß E. E. diese Ansicht teilen. 
Sollte jedoch Rußland trotzdem in Gefahr einer aggressiven Richtung im 
nahen Orient sich begeben und hiebei in einen Gegensatz zu uns und 
Deutschland geraten oder gar uns beide bedrohen, erscheint es mir voll¬ 
kommen zweckentsprechend, die von E. E. in Aussicht genommene Klar¬ 
stellung der Verhältnisse herbeizuführen, obwohl sich unsere Lage in 
diesem Falle von jener Deutschlands insofeme unterscheiden würde, als 
wir es mit einem Alliierten zu tun hätten. 
Dennoch würde ich es für nötig halten, daß wir uns durch eine 
konzise Fragestellung und Bestehen auf einer sofortigen Antwort die 
erforderliche Sicherheit verschaffen. Ich möchte noch die Ansicht hier 
aussprechen, daß, wenn wir gezwungen sein sollten, eine solche Sprache 
zu führen, dies jedenfalls genügen dürfte, um die betreffende Macht zur 
Einhaltung der Neutralität zu bewegen.“ 
Im übrigen gab das Schreiben der Überzeugung Ausdruck, daß Italien 
die Neutralität zweifellos beobachten würde und betonte, daß wir freund¬ 
schaftliche Beziehungen zu Rußland wollen. 
Weitere Konsequenzen hatte dieser Briefwechsel nicht. 
In Audienzen am 1. Feber und am 11. Mai 1910 kam ich bei Seiner 
Majestät wieder auf die italienischen Verhältnisse zu sprechen. So auf die 
irredentistischen Görzer Exzesse und die dabei zutage getretene 
schmähliche Haltung des dortigen Bürgermeisters. Erneut wies ich auf 
Italiens Heeresausgaben hin: Das Normalbudget für 1910/11 mit 306 Mil¬ 
lionen enthielt einen neuen Kredit von 65 Millionen, endlich einen solchen 
von 83-75 Millionen, der sich wie folgt verteilte: Reorganisationen 6, zwei¬ 
jährige Dienstzeit 3-1, militärische Jugenderziehung, Freiwilligenwesen 
(tiro a segno) 2-15, Massawirtschaft 7-5, schwere Artillerie des Feld¬ 
heeres und Feldartilleriematerial 50, Luftwesen 10, erhöhte Friedens¬ 
stände 5, also zusammen 83-75 Millionen. Ich bemerkte, daß die nam¬ 
hafte Erhöhung des Normalbudgets (um 20 Millionen mehr als 1907/08) 
und die seit 1906 bewilligten außerordentlichen Kredite von 424 Millionen 
den Charakter ausgesprochener gegen Österreich-Ungarn gerichteter 
Kriegsrüstungen tragen, denen man nicht blind gegenüberstehen dürfe. 
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