Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

welche ich allerdings nicht genügend orientiert bin, um mir ein sicheres 
Urteil gestatten zu können. 
Ob sich nun der Gedanke der Allianz überhaupt als durchführbar 
erweisen und welche Alternative Said Pascha schließlich wählen wird, 
läßt sich gegenwärtig noch nicht Voraussagen. Vorläufig versichert der 
Großvezier sowohl unserem als auch dem deutschen Botschafter aus¬ 
drücklich, daß er in seiner Rede nur ein Bündnis mit den beiden Kaiser¬ 
mächten gemeint habe. Es ist jedoch nicht zu bezweifeln, daß er gleich¬ 
zeitig in London, Paris und Petersburg sondieren läßt, um diese Mächte 
zur Intervention in der Tripolisfrage zu bewegen und über Dispositionen 
betreffs des Bündnisses orientiert zu werden. Die Haltung der Kon- 
stantinopeler Presse scheint jedenfalls auf die Tendenz zu einer Allianz 
mit der Tripleentente hinzuweisen. 
Über die Stellung unserer Monarchie zu der neuen Konstellation 
werde ich E. E. demnächst speziell Bericht erstatten. Vorläufig scheint 
es mir aber wichtig, festzustellen, daß unser Einschreiten gegen die 
italienische Aktion an der albanesischen Küste hierorts vorwiegend als 
Geltendmachung unserer eigenen Aspirationen auf Alba¬ 
nien angesehen und dementsprechend beurteilt wird. Die Beantwortung 
der Tripolis-Interpellation im Reichsrat durch Seine Exzellenz Freiherm 
von Gautsch hat dazu beigetragen, diese uns ungünstige Auffassung noch 
zu vertiefen. 
Genehmigen E. E. den Ausdruck meiner tiefsten Ehrfurcht 
Pomiankowski, Oberst.“ 
Am 30. Oktober hatte ich eine Audienz bei Seiner Majestät. Vor 
und nach derselben sprach ich mit Exzellenz Baron Bolfras. Er teilte 
mir mit, daß Ährenthal, der tags vorher beim Kaiser war, den Kopf 
voll habe mit der Tripolisaffäre und der Balkanfrage, daß auch Deutsch¬ 
land von ersterer völlig überrascht worden und auch seiner Meinung 
nach Ährenthal zu vertrauensvoll gegenüber Italien sei. Exzellenz 
Bolfras erwähnte, daß Graf Ährenthal auch physisch sehr gebrochen 
wäre. 
Es mag dies der Vorbote jenes schweren Leidens gewesen sein, dem 
Graf Ährenthal später zum Opfer fiel, und es wäre denkbar, daß dieser 
physische Zustand seine politischen Entschließungen beeinflußte. 
Deutschland und Österreich-Ungarn hatten zwischen Italien und der 
Türkei zu vermitteln versucht. Über den Erfolg berichtet der Militär¬ 
attache in Konstantinopel in einem am 31. Oktober eingelangten 
Schreiben: 
18!
	        
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