Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

In seinem, auch schon früher angeführten Bericht vom 26. Dezem- 
öer 1910 über eine Unterredung mit lzzet Pascha, dem türkischen Chef 
des Generalstabes, schreibt der k. u. k. Militärattache in Konstantinopel: 
„Auf die Zustände in Asien übergehend, erklärte mir lzzet Pascha, 
daß der Drusen-Aufstand trotz des hartnäckigen Widerstandes 
für das Reich keine besondere Bedeutung habe. Die Drusen seien weder 
Mohammedaner noch Christen, werden von den angrenzenden Volks¬ 
stämmen gehaßt und genießen auch im Auslande keine besonderen 
Sympathien. Der Aufstand werde daher über kurz oder lang nieder¬ 
geschlagen und die Drusen mit Gewalt zur Ruhe und zum Gehorsam 
gezwungen werden. Anders stehen die Dinge im Ost jordanland, wo 
sich Araber gegen die Staatsgewalt empört haben. lzzet Pascha ließ 
deutlich durchblicken, daß man auf der Pforte bei Eintreffen der ersten 
Nachrichten äußerst besorgt war und zwar nicht allein, weil man die 
Ausdehnung der Revolte nicht übersehen konnte, sondern hauptsächlich 
wegen der politischen Bedeutung einer arabischen Empörung und Unter¬ 
bindung der Kommunikation zu den heiligen Stätten des Islams. Nach¬ 
dem nun die vom Hauran gesendeten Truppen ohne Widerstand in 
Kerak eingezogen sind und die darin eingeschlossenen Beamten, 
Soldaten und Einwohner befreit haben, habe man sich beruhigt und 
hoffe in kurzer Zeit die Ruhe wiederherzustellen. 
Die Lage in Südarabien sei nicht so gefährlich, wie sie von der 
Presse dargestellt werde. Scheich I d r i s s und Imam Y a h i a seien 
allerdings ganz unverläßlich und bei günstiger Gelegenheit stets bereit, 
gegen die Regierung zu rebellieren, doch seien die im Yemen und Assyr 
befindlichen Truppen stark genug, um die beiden niederzuhalten. Eine 
Expedition sei gegenwärtig nicht notwendig. Auch die Gefahr, daß die 
genannten Häuptlinge sich gegen die Regierung verbünden könnten, sei 
kaum vorhanden und zwar weniger wegen der Entfernung der beiden 
von einander, die kaum 300 km beträgt, sondern vielmehr wegen der 
Gegensätzlichkeit ihrer religiösen Tendenzen. Während nämlich Imam 
Yahia einer der vielen Nachkommen des Propheten ist (und sich auf 
dieser Basis einbildet, das rechtmäßige Oberhaupt aller Gläubigen zu 
sein), gibt sich Seid Idriss als Mahdi aus und muß deshalb dem 
ersteren als ketzerischer Sektierer erscheinen. Sollten sich die beiden 
begegnen, so würden sie sich infolge dieses Gegensatzes eher sofort 
bekämpfen, als sich gegen irgend jemand zu einigen. 
Indem ich hiemit die interessanten Ausführungen des Chefs des 
ottomanischen Generalstabes wiedergebe, erlaube ich mir hinzuzufügen, 
daß man in vielen Kreisen Konstantinopels — wie mir von wohlinfor¬ 
mierter Seite mitgeteilt wird — den kommenden Ereignissen mit einer 
gewissen Besorgnis entgegensieht. Die Lage in Syrien und in
	        
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