Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Die Position der Truppen an der Grenze ist eine solche, daß sie 
das Durchschlüpfen von Leuten durch den Kordon bei Nacht nicht 
hindern können; sie halten und haben befestigt Decic, Helmina, Bukovik, 
Rapsa, Maja Psters, Kapa Brojs, Vukli, Osonja, Golis, Gropa Ljesnica. 
Renkontres zwischen Rebellen und Truppen bestehen meist in einem nächt¬ 
lichen Beschießen der türkischen Lager, Gefechten um den Besitz des 
Cemtales (Selce, Tamare) oder Beschießung einzelner Leute bei Tag. 
Daß unsere Monarchie hier eine mehr als schmähliche Rolle 
spielt, die man auch hier gebührend würdigt 
Für mich persönlich habe ich schon durch den Entschluß gesorgt, 
falls ich nicht irgendwo im Cemtale liegen bleibe, aus dem Untertans¬ 
verhältnis unserer Monarchie auszutreten und fremder Staatsangehöriger zu 
werden, denn schließlich hat doch jede Sch_und auch jede politische 
Sch ihre Grenzen. Daß die Monarchie aber tatlos zuschaut, wie 
zirka 70.000 Leute vom Erdboden verschwinden sollen, die von der Mon¬ 
archie stets mit schönen Worten großgefüttert wurden, ist etwas arg. 
Exzellenz können sich lebhaft denken, in welchem Seelenzustand 
ich mich befinde, um so einen Entschluß zu fassen, bitte aber es mir 
— wenigstens im persönlichen Verkehre — nicht zu verübeln. 
Mit besonderer Hochachtung und besten Grüßen 
Ce t in je, 22. Juni 1911.“ Baron Nopcs a. 
Soeben teilt mir Giesl mit, er könne sich für mich bei niemandem 
in irgendeiner Weise verwenden, da jede Verwendung in meinem Inter¬ 
esse mich zu einem Agenten unserer Regierung stempeln würde, 
während ich jetzt nur die Rolle eines eigenmächtigen Agitators habe. 
Das ist auch »Dank«.“ 
Trotz aller Bemühungen wollte es in Albanien zu dauernder Ruhe 
nicht kommen, ja es drohte sogar ein kriegerischer Konflikt zwischen 
Montenegro und der Türkei. 
In dieser Hinsicht führt ein Bericht vom 23. Juni 1911 des k. u. k. 
Militärattaches in Konstantinopel folgendes aus: 
„Im Falle eines Krieges zwischen der Türkei und Montenegro 
kann man als sicher annehmen, daß die katholischen und orthodoxen 
Albanesen versuchen werden, einen allgemeinen Aufstand gegen die 
Türkei zu inszenieren. Die türkische Regierung rechnet mit dieser 
Eventualität als mit einer feststehenden Tatsache, mißt derselben jedoch 
keine große Bedeutung zu, da sie hofft, die Erhebung der christlichen 
Albanesen durch deren an Zahl bedeutend überlegene mohammedanische 
Konnationale paralysieren zu können. 
Der Kriegsminister sagte mir, daß er im Falle eines Krieges gegen 
Montenegro in erster Linie mohammedanische Albanesen an die 
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