Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Man kann seine Partei die montenegrinische Regierungspartei nennen, 
denn dadurch, daß die Rebellen die Waffen und Patronen von der 
Regierung bekommen, sind sie genötigt, so zu tanzen wie König 
Nikolaus pfeift. Ein weiteres Moment, wodurch diese Partei ihre Macht 
erhält, ist die Existenz des »Montenegrinischen Hilfskomitees für die 
Flüchtlinge, die Nichtkombattanten sind.« Dadurch, daß dieses Hilfs¬ 
komitee jeden Augenblick in der Lage ist, die Mehllieferungen an die Nicht¬ 
kombattanten einzustellen, hat es auch deren Verwandte, d. h. die Kombat¬ 
tanten in der Hand und kann sie zwingen, sich nicht zu ergeben; natürlich 
behält es diesen Einfluß nur so lange, als die türkische Regierung nicht 
annehmbare Bedingungen stellt und deren Einhalten verspricht. 
Die albanesische nationalistische Partei, mit Ismail Kemal und 
Luigi Gorakuki an der Spitze, repräsentiert die zweite Partei; sie kämpft 
für die Autonomie Albaniens und ist im Geheimen gegen die montene¬ 
grinische Partei, kann jedoch, da sie von letzterer Waffen etc. erhält, 
nichts machen. Sokol Baci ist offiziell ein hervorragendes Mitglied 
dieser Partei, ihre Forderungen an die türkische Regierung sind, da sie 
sich auf ganz Albanien beziehen, zu hoch gespannt. 
Um den Schein zu wahren, werden die unregelmäßig ausgeteilten 
Futterrationen an die Kombattanten von dieser Partei in der Gestalt 
von Brotlaiben verabreicht, oft sind sie jedoch genötigt, sich mehrere 
Tage von gekochtem Gras? (Brennesseln) zu nähren. Wenn ein Kombattant 
zu seinen verwandten Nichtkombattanten nach Podgorica kommt, ißt er 
vom Mehl der letzteren, da er dann weder vom Hilfskomitee noch von 
den Nationalisten Nahrung erhält. 
Als dritte Partei möchte ich mich hinstellen, da alle Malissoren 
mich versichern, sie würden mir in allem und jedem folgen, Sokol Bacis 
Popularität seiner Unterschlagungen halber einerseits, andererseits 
wegen der Minierarbeit der Nationalisten im rapiden Sinken begriffen ist, 
und die Nationalisten selbst im Volk keinen persönlichen Einfluß haben. 
Das Ziel der türkischen Kriegspartei geht, wie ich in einem Bericht 
an Seine k. u. k. Hoheit Erzherzog Franz Ferdinand auseinandergesetzt 
habe, darauf hinaus, die Katholiken Nordalbaniens vollkommen zu ver¬ 
nichten, um darauf, wie mir Thorgut Schefket Pascha sagte, im ganzen 
Gebiete bosnische Mohammedaner anzusiedeln, was mir auch von 
anderen Jungtürken bestätigt wurde. 
Die Mittel, die bisher angewendet wurden, habe ich an das »Vater¬ 
land« telegraphiert und auch Seiner k. u. k. Hoheit unterbreitet. 
Das Ziel der Montenegriner scheint dasselbe zu sein (Rache für 
1908—1909); darauf läßt wenigstens die staffelweise, daher ineffektive 
Waffenzufuhr mit Zwischenräumen von ein bis eineinhalb Monaten, 
sowie die Lieferung von Waffen mit ungenügendem Munitionsvorrat 
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