Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

Am 8. Juni 1911 erschien im offiziösen „Fremden-Blatt“ ein Artikel, 
in dem der Türkei nahegeigt wurde, sich mit den Albanesen zu 
versöhnen. 
Indessen war am 8. Juni 1911 der Sultan in Salonik gelandet, hatte 
sich von dort auf das Kossovo polje (Amselfeld) bei Pristina begeben, 
wo er am 16. Juni einen Selamlik (Truppenschau mit Gottesdienst) über 
mehrere tausende daselbst versammelte Albanesen abhielt und diesen 
50.000 türkische Pfund spendete. 
Ein Streiflicht auf die Rolle, die Italien hiebei spielte, gibt folgende 
Stelle eines Briefes des k. u. k. Militärattaches in Rom, Oberstleutnant 
Mietzl, in welchem er über eine ihm bekannt gewordene Korrespondenz 
berichtet. Sie lautet: 
„Aus derselben konnte ich entnehmen, daß die Entsendung des 
italienischen Kreuzers nach Durazzo ganz ohne vorheriges Einvernehmen 
mit uns verfügt worden war. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß 
die Consulta hiemit in den Augen der Albanesen schön tun und auch 
der italienischen Öffentlichkeit mit einem Erfolg aufwarten wollte. Ähren¬ 
thal war hierüber sehr indigniert und hat dies der italienischen Regierung 
in nicht mißzuverstehender Weise zu erkennen gegeben, welche ihrerseits 
die Entsendung des Schiffes mit einem alarmierenden Bericht ihres 
dortigen Konsuls über angebliche Lebensgefahr italienischer Angehöriger 
rechtfertigt. Ährenthal blieb jedoch trotz wiederholt gemachter Versuche 
der Consulta, ihre Vorgangsweise zu entschuldigen, auf dem Standpunkte, 
daß dieses Faktum eine Verletzung des zwischen Italien und uns bezüglich 
Albaniens geschlossenen Abkommens sei. Aus dem Umstande, daß der 
gewisse Leitartikel im »Fremden-Blatt« unmittelbar nach der Entsendung 
des Kriegsschiffes erschien und aus dem Ton der bezüglichen an Merey*) 
gerichteten Erlässe ist zu erkennen, daß Ährenthal mit diesem Artikel 
auch eine Revanche an San Giuliano nehmen wollte. Ährenthal hat 
letzteres zweifellos erreicht, denn die hiesigen Kreise schoben recht ärger¬ 
lich wieder uns einen Erfolg zu und hielten San Giuliano seine Energie¬ 
losigkeit, seinen Mangel an Initiative und sein Nachhumpeln vor.“ 
Nebst vielen sonstigen Informationen über Albanien erhielt ich solche 
auch durch Herrn Franz Baron Nopcsa, einen unerschrockenen, unter¬ 
nehmungslustigen Geologen, der schon seit Jahren Albanien wissenschaft¬ 
lich durchforschte, die albanesische Sprache beherrschte, zahlreiche 
Beziehungen, insbesondere bei den Stämmen im Norden des Landes hatte 
und uns sehr wertvolle Dienste leistete. 
*) Ö.-u. Botschafter in Rom. 
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