Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

sich bis zur Blutrache untereinander befehden, durchwegs Waffen tragen 
und in der Rege) einig sind, wenn es sich um Auflehnung gegen die 
Staatsgewalt handelt, falls diese Gesetz und Ordnung erzwingen will. 
Der politischen Agitation, soweit sie mit Geld unterstützt wird, leicht 
zugänglich und dann auch rasch wechselnd in ihrer Stellungnahme, dabei 
noch ganz in mittelalterlichen 7uständen lebend, sind die Albanesen ein 
Volk, das einer ebenso verständigen, als starken Hand bedurft hätte, um 
für ein modernes Staatswesen erzogen zu werden. 
Zur Scheidung in die Ghegen, die den Norden, und die Tosken, die 
den Süden Albaniens bewohnen, und zur Spaltung in die einzelnen 
Stämme kommt noch jene in drei Religionsbekenntnisse: Mohammedaner, 
griechische Katholiken, römische Katholiken, über welch letztere speziell 
Österreich-Ungarn hauptsächlich im Wege der Geistlichkeit eine Art 
Schutzherrschaft übte Es wandelte dabei aber Wege, die das Volk eher 
dem italienischen Einfluß zuführten. So war beispielsweise an den von 
der Monarchie unterstützten Schulen die Unterrichtssprache nicht 
albanesisch, sondern italienisch. 
Auch die stets „dreibundgemäße“ Rücksichtnahme auf das viel 
skrupelloser vorgehende Italien förderte nicht Österreich-Ungarns Ansehen. 
Italien aber war hier ein scharfer Konkurrent der Monarchie, die sich 
ihm gegenüber vertragsmäßig die Hände gebunden hatte Es nützte seine 
in Süditalien ansässigen Untertanen albanesischer Nationalität geschickt 
zur Propaganda aus und strebte nicht nur politischen Einfluß, sondern 
auch territorialen Besitz an. Es richtete seine Blicke insbesondere auf den 
besten Hafen, V a 1 o n a, von wo der Weg über Monastir nach Salonik und 
Konstantinopel führt, und von wo aus es die Straße von Otranto maritim 
zu beherrschen, also die Adria zu sperren vermochte. 
Darin lag die eine Bedeutung Albaniens für die Monarchie. Die 
andere aber gründete sich auf den Antagonismus der Albanesen gegen 
Serben und Montenegriner, der für Österreich-Ungarn wertvoll aus¬ 
zunützen war, wenn es mit diesen beiden Staaten in militärischen Konflikt 
geraten sollte. 
Auf Albanien hatten aber ebensowohl Serbien als Montenegro 
aggressive Absichten; Serbien suchte dorthin den Weg zum Meere, 
Montenegro strebte den Besitz von Skutari und der Bojana-Mündung, 
überhaupt Nordalbaniens an. 
Von diesem Streben geleitet, war es König Nikita von Montenegro, 
der die Albanesen zu gewinnen suchte und deren Aufstand gegen die 
Pforte nicht nur anfachte, sondern auch dauernd unterstützte. Es gelang 
ihm, trotz der von alters her bestehenden Feindschaft zwischen Monte¬ 
negrinern und Albanesen, die manchen Weidestreit blutig miteinander 
158
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.