Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

auf ein friedliches Auskommen mit der Monarchie mehr denn je 
angewiesen. Die damals im Zuge gewesene Preßkampagne, welche 
Deutschland und Österreich-Ungarn zu entzweien strebte, bezeichnete 
Kaiser Wilhelm als Manöver Englands und Frankreichs, die sich aber 
glücklicherweise in ihren Hoffnungen getäuscht hätten. Hinsichtlich der 
Kreta-Frage habe er nicht die Absicht, sich in diese Angelegenheiten 
wieder einzumengen, er überlasse es den vier Schutzmächten, die Folgen 
ihres bisherigen Vorgehens selbst zu tragen. Der Ideengang der Griechen 
sei ihm anbetrachts ihrer militärischen Lage unverständlich. Was Deutsch¬ 
lands innere Politik betrifft, sei er mit dem Vorgehen des Reichskanzlers 
einverstanden. 
Ein vielbesprochenes Ereignis im Jahre 1910 war der fürstliche 
Empfang, der dem früheren Präsidenten der Vereinigten Staaten, Herrn 
Roosevelt, auf seiner Durchreise in Berlin bereitet wurde. Er war aber 
in seinen Folgen dadurch abgeschwächt, daß Roosevelt in Amerika an 
Position verlor. 
Italien. In Italien schritten die gegen seinen Verbündeten (?) Öster¬ 
reich-Ungarn gerichteten militärischen Maßnahmen unentwegt fort. In 
demselben Maße steigerten sich meine dagegen gerichteten Bestrebungen, 
aber auch meine Konflikte mit Graf Ährenthal. Er setzte allen dies¬ 
bezüglichen Forderungen hartnäckigen Widerstand entgegen, trotz der 
unverkennbaren Symptome, welche durch die offiziellen Erklärungen der 
Minister Tittoni, Guiciardini, San Giuliano, am Dreibund unverbrüchlich 
festzuhalten, nur mangelhaft verschleiert waren. 
Nicht nur der Ausbau von Heer und Flotte sowie des großzügig 
angelegten Befestigungssystems, sondern auch die feste Hand, die der 
Staat durch Ankauf der Bahnen (1906) auf letztere gelegt hatte, bezeich- 
neten die Fortschritte in dieser Richtung. Die seitens Italiens im Jahre 
1909 angebahnte Annäherung an Rußland wirkte fort. Sie fand in der 
schon erwähnten Entrevue König Viktor Emanuels mit Zar Nikolaus in 
Racconigi (22. bis 25. Oktober 1909) erneuert Ausdruck. Sie trat auch 
in dem Verhalten der am Balkan akkreditierten italienischen Militär¬ 
attaches in Erscheinung. So galt beispielsweise der italienische Militär¬ 
attache in Sofia, Baron Rubin, ein Liebling des Königs, für ausgesprochen 
antiösterreichisch gesinnt. Er hatte 1910 durch drei Wochen Mazedonien 
bereist. 
Zu meinen unausgesetzten Bestrebungen gehörte auch die Entfernung 
der auf österreichischem Gebiet etablierten italienischen Finanzwache 
(Ala, Riva), die eine auf eigenem Territorium geduldete italienische
	        
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