Volltext: 1910 - 1912 (Zweiter Band / 1922)

gestellt erscheint, wie durch die jüngsten Vorgänge im Parlament, so 
fühle ich geradezu die Pflicht, meine Orientierung über die Lage zur 
Kenntnis der maßgebenden Stellen zu bringen. 
Diese Orientierung geht nach Rücksprache mit sehr einsichtsvollen 
Politikern dahin, daß es ein Unglück wäre, das jetzige Haus aufzulösen, 
sondern daß es daraut ankommt, mit dem jetzigen Haus die vitalsten 
militärischen Fragen: als Rekrutenkontingent, resp. Wehrgesetz, dann 
Budget, resp. Budgetprovisorium, zu lösen, sei es mit einer teilweisen 
Rekonstruktion des Kabinetts oder mit dem § 14. 
Die Auflösung des Hauses hätte zur Folge: 
1. Daß sie ein Triumph der obstruierenden radikalen Parteien und 
eine Niederlage der bereitwilligen, bürgerlichen, loyalen Parteien wäre; 
2. daß durch Neuwahlen Elemente ins Haus kämen, die viel 
radikaler sind und die von Haus aus den Kampf gegen die Heeres¬ 
auslagen auf ihr Programm nehmen würden; 
3. daß unsere dringenden Forderungen, insbesondere Wehrgesetz 
mit Rekrutenkontingent, ins Unabsehbare verzögert erschienen; 
4. daß die dermalen endlich in Ungarn bestehende günstige Dis¬ 
position nicht ausgenützt würde. 
Ich wäre E. E unendlich dankbar, wenn E. E. diese meine 
schweren, von der unablässigen Sorge nach endlicher Konsolidierung 
unserer desolaten Heeresverhältnisse diktierten Bedenken zur Aller¬ 
höchsten Kenntnis bringen wollten. 
Genehmigen E. E. den Ausdruck meiner besonderen Hochverehrung, 
mit der ich stets bin 
Euer Exzellenz 
gehorsamster 
C o n r a d, G. d. I.“ 
Ich erhielt hierauf folgende Antwort: 
„Wien, 31. März 1911. 
Hochgeehrter Freund! 
Dein gestriges inhaltsreiches Schreiben kam mir nachmittags nach 
3 Uhr zu. 
Obschon ich wußte, daß die große Frage bereits entschieden und 
das Auflösungspatent schon mittags dem Ministerpräsidenten zur Ver¬ 
anlassung der heutigen Publizierung zugekommen war, unterbreitete ich 
per Portefeuille (nach Schönbrunn) doch noch Seiner Majestät Dein 
Schreiben. Es konnte keinen unmittelbaren Effekt mehr haben, wohl 
aber die Überzeugung bestärken, daß man je eher wieder ein 
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