Volltext: Geschichte des Landes ob der Enns. Erster Band (Erster Band 1846)

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Jahrhunderte gebührt der unbestreitbare Vorzug höherer Humanität, einer weit 
ausgebreiteten Bildung, Künste und Wissenschaften blühen, Entdeckungen sind 
gemacht, an die man damals gar nicht dachte, eine geregelte Rechtsverfassung 
herrscht, und Gerechtigkeit für Jeden, auch den Niedrigsten, und nicht nach 
Willkür, sondern nach bestimmten Gesetzen. Wir kennen keine Leibeigenschaft 
und Hörigkeit mehr, nicht die Tortur und fürchterlichen Todesarten jener Zei¬ 
ten, Plünderung der Wanderer, Wegelagerung, die Raubburgen, die wilden 
Gewaltthaten und Fehden des Faustrechtes! Und doch, wollen wir nicht unge¬ 
recht sein, so müssen wir ein nicht zu schreckenvolles Bild der vergangenen Jahr¬ 
hunderte entwerfen, sondern auch das betrachten, was es mildert und entschul¬ 
diget, was in denselben immer schön und großartig dasteht. Es ist nicht zu 
läugnen, es war oft eine harte, blutige Zeit, und selbst von den Edelsten des 
Landes, von ihren unbezwinglichen Burgen gingen Raub und Gewaltthat aus, 
die alten Burgverließe in den Ruinen, die gewaltigen Thürme als Kerker, die 
unterirdischen, schauerlichen Gefängnisse sind unwiderlegbare Zeugen eines oft 
harten, grausamen Geschlechtes; — allein nicht alle Burgen waren Raubne- 
ster, Kerker für Gefangene und Entführte, nur Wohnptätze der schändlichsten 
Willkür, und man entehrt unsere edlen Vorfahren , wenn man nur die trau¬ 
rige Seite jener schauerlichen Jahre des Faustrechtes darstellt, wo Humanität 
nur selten sich fand, — in unserm Lande, wie auch anderswo, waren oft genug 
die Burgen auf den Felsen Zufluchtsstätten bei feindlichen Einfällen gegen Mord 
und Gefangenschaft, unter ihrem Schutze baueten sich Andere in der Nähe an, 
und kultivirten den vaterländischen Boden, es entstanden Orte und Städte, die 
edlen Ritter beschützten die Unschuld und die Frauen, wagten für sie Gut und- 
Leben, gaben oftmals die schönsten Beispiele der Menschlichkeit und alter deut¬ 
scher Treue. Leben und Thätigkeit herrschte in ihren Wohnpläßen auf Felsen und 
in den Thälern, wohin die Sänger kamen, wo die Gastfreiheit auch Fremd¬ 
linge hinzog, wo oft Pracht und Luxus Gelegenheit zum Verkehre und zum 
Handel gewährten. Die Burgen waren die Sitze der edelsten Geschlechter, 
welche Kirchen und Klöster und den wehrlosen Landmann beschützten, die 
Schlachten kämpften für Fürst und Freiheit gegen eindringende Feinde. Manche 
Mutter schickte den letzten Sohn zum Kampfe aus für Vaterland und Ehre, 
manch edles Geschlecht ging unter, umgestürzt war der Wappenschild, die 
alte Burg der Väter verödet, und einsam, und nur die Geschichte schreibt 
mit ihrem Griffel einige Thaten des verschwundenen Geschlechtes in ihre 
Blätter ein. 
Traurig war der Zustand der Hörigen und der Leibeigenen; ihre 
Kinder fanden in der Gewalt des Herrn, wurden von der Mutter weggerissen,
	        
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