Volltext: Geschichte des Landes ob der Enns. Erster Band (Erster Band 1846)

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Behauptung aufstellte, nämlich, daß durch jene Dacier die ungeheure Länder- 
strecke vom Bodensee herab am rechten Ufer der Donau, durch unser Land 
ob der Enns und bis nach Pannonien hinein so verheert wurde, daß die¬ 
selbe eine Wüste ohne Bewohner gewesen sey. Man machte nach Cluver in 
seiner Vindelicia eine andere Abtheilung und übersetzte gewöhnlich so: Lacum 
lihaeti exigua parte, majore Helvetii et Vindelici attingunt, in d e es t 
Bojorum s o l i t u d o  u s q u e ad P a n n o n i o s. So kam denn die 
große Bojerwüste heraus! Allein die Uebersetzung »inde est Bojorum 
solitudo» ist ganz falsch; nach dem Originaltexte heißt es »und die Wüste 
der Boj er"; diese Worte schließen auch nach den besten Ausgaben des Strabo 
den ersten Satz1); dann folgt der zweite Satz: Bis nach Pannonien hin 
bewohnen Alle, besonders die Helvetier und Vindeliker, 
Berg ebenen. Uebrigens scheint Strabo den Bodensee mit dem Peiso- 
See in Ungarn verwechselt und auf diese Weise die Boj er dorthin gebracht 
zu haben2); am letztern wohnten sie wohl, aber nicht am ersten, in jenen 
Zeiten ; ihr Reich und das der Taurisker erstreckte sich nie so weit, und bis zum 
Bodensee sollten die Geten vorgedrungen seyn?! 
Wenn auch Strabo wirklich eine so große Bojerwüste in jener Stelle ange¬ 
deutet hatte, so wäre dies ein gewaltiger Irrthum! Es widerspricht offenbar 
der Geschichte, denn eben in jenen Gegenden an der Donau, von Pannonien bis 
zum Lande ob der Enns, und von da noch weiter hinauf, oberhalb des Inn, 
finden wir zur Zeit der Römer so viele und zwar bedeutende Orte, deren alt- 
keltische Namen unverkennbar sind, z. B. Carnuntum, Vindobona, 
Arelape, Namare, Lauriacum, Tergolape, Stannacum, Bo- 
jodurum u. s. f.; wäre in jenen Gegenden nur eine menschenleere Wüste 
gewesen, woher nun diese Städte und ihre keltischen Namen? Hätten die 
Römer dieselben neu erbauet, so würden sie auch römische Namen haben, wie 
andere; sie waren vielmehr die alten Orte von der Vorzeit her, Noriker und 
Taurisker wohnten in denselben als Abkömmlinge ihrer Vorfahren. Auch Pli- 
nius kennt die Bojerwüste, bezeichnet sie genauer und setzt sie ganz anderswohin, 
indem er sagt: »An die Noriker schließen sich der See Peiso, die Wüsten 
der Bojer; nun aber werden auch diese schon wieder bewohnt, es ist da die 
Kolonie des Claudius Sabarka (Steinamanger), die Stadt Scara- 
b a ntia (Oedenburg) und Julia" 3). In diesen östlichen Gegenden war also 
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1) Strabo 1. Vil. c. 1. §. 5. p. 331. edit. Siebenkees. Lipsiae. 
2) Dies bemerkt auch schon Zeuß in seinem Werke: Die Deutschen und ihre Nachbarnstämme 
S. 231 u. s. w. und: Ueber die Herkunft der Markomannen. München 1839 S. 37. 
Plinii hist. nat. edit. Parisiis p. 384. Iib. Hl. c. 27. Noricis junguntur lacus Peiso, deserta 
Bojorum: jam tarnen colonia Pivi Clapdii Scharia et oppido Scarabantia (et) Julia habitantur.
	        
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