Volltext: Geschichte des Landes ob der Enns. Erster Band (Erster Band 1846)

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Kultur des Geistes kann da keine Rede seyn; erst als das Christenthum mehr 
emporblühte, entstand auch ein besserer Unterricht des Volkes, besonders in der 
Religion. Die Bischöfe und Priester konnten damals fast ganz allein lesen und 
schreiben. Durch ihre Verbindung mit Rom und durch das Lesen der Vulgata, 
der Psalmen und der Kirchenväter ward die lateinische Sprache auch unter den 
Deutschen mehr bekannt und gelernt, selbst Gebete und Gesänge wurden in der¬ 
selben abgehalten, aber ein klassisches Latein war es wirklich nicht. Theologie 
bildete eigentlich das Hauptstudium und die Summe der Kenntnisse war sehr 
beschränkt; die Laien gaben sich damit gar nicht ab, und es war eine Seltenheit, 
daß Herzog Thassilo II. sich rühmen konnte, lesen und seinen Namen, eigentlich 
nur die Anfangsbuchstaben desselben, schreiben zu können 1). Schulen gab es 
nur, wo ein Domkapitel oder ein Kloster sich befand, besonders von Benedik¬ 
tinern, und in denselben waren in der Regel nur solche Jünglinge, die sich in 
Klöster oder in den geistlichen Stand begeben wollten; doch wurden auch ein¬ 
zelne Knaben, die Laien blieben, in solchen Klöstern erzogen und unterrichtet. 
Zur besseren Einrichtung dieser Schulen trug sehr vieles der berühmte Winfried 
oder heil. Bonifacius bei. Höhere Bildung kam durch Priester und einige an¬ 
dere, besonders aus Brittanien nach Deutschland, von dorther wurden Bücher 
und selbst Gegenstände der profanen Literatur gebracht; aber erst gegen das 
Ende des achten Jahrhunderts kamen Handschriften römischer Klassiker nach 
Baiern von Italien heraus 2). Die Gegenstände des gelehrten Unterrichts waren 
übrigens siebenfach: Grammatik, Rhetorik, Dialektik — Arithmetik, Geometrie, 
Astronomie und Musik. Was die Dichtkunst betrifft und die Gesänge der Bar¬ 
den bei den Baiern in jenen Zeiten, so ist davon nichts übrig geblieben, wir 
können daher auch nichts Bestimmtes darüber sagen. Karl der Große sammelte 
viele deutsche Heldengesänge, und zwar aus der ältesten Zeit; doch auch diese 
sind nicht mehr vorhanden; es waren aber gewiß nicht allein Lieder und Hel- 
dengesänge der Franken, sondern anderer Deutschen, wahrscheinlich auch der 
Baiern. Diese hatten ohne Zweifel ihre Barden oder Dichter und Sänger; es 
ist bekannt, daß sie Alboin's, des Königs der Longobarden, Sieg über die Ge- 
piden und seinen Ruhm besangen 3), und gewiß feierten sie nicht allein die 
Thaten eines befreundeten benachbarten Fürsten, sondern auch ihre eigenen 
und jene ihrer tapferen Vorfahren nach alter Sitte bei großen Gastmalen, 
beim Auszuge in den Krieg und während des Kampfes selbst. Vielleicht hatten 
sie neben diesen Krieges- und Siegesliedern auch Trauergesänge beim Tode ihm 
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1) Rudhart, S. 727. 
2) Rudhart, S. 726. 
3) Paulus Diaconus I. 27.
	        
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